Montag, 7. März 2011

Aus dem Alltag einer Buechereule – Neulich in der Bahn ...

Heute Morgen musste ich eineinhalb Stunden Zug fahren und saß zum Glück in einer Bahn, die nicht direkt über Mainz fuhr. So konnte ich in Ruhe meine neueste Errungenschaft lesen und markern. Mit Kopfhörern klappt das Lesen in der Bahn ganz gut, mit genügend Kaffee sowieso. Nur selten stört etwas meine bedingungslose Aufmerksamkeit zum Buch, und dazu gehört natürlich das Auftauchen eines anderen Fahrgasts in meinem Sichtfeld, der sich ein Buch aus seiner Tasche zieht. So auch heute.

Eine junge Frau saß plötzlich mir gegenüber auf dem Sitz. Graue Wollmütze, Wollmantel, Ledertasche. Dunkelbraune Haare blitzten unter der Mütze hervor, als sie meine Aufmerksamkeit erregte. Sie zog ein Taschenbuch hervor, das in einem unglaublichen Zustand war: Kein Titelblatt (abgerissen), zerlesener Rücken, vergilbte Blätter. Der Buchblock war überall angestoßen, fleckig und voller Eselsohren in allen möglichen und unmöglichen Stadien. Es war eine Offenbarung der ganz anderen Art, möglichst unauffällig zu beobachten, wie die Seiten eines solchen Buchs ohne Titelblatt umgeschlagen werden. Warum fehlte er? Warum war der Text in zwei Kolumnen gesetzt? Warum klammerten sich diese schwer beschädigten Seiten noch an den Buchrücken und flogen nicht als verzweifeltes Bündel umher?

Die Frau, die keineswegs einen ungepflegten, verwirrten oder sadistischen Eindruck machte, schien gerade damit angefangen zu haben, das Buch zu lesen. Sie lächelte, während ihre Augen Zeile für Zeile hinunter flogen. Einen größeren Kontrast konnte ich mir nicht vorstellen. Als ich das nächste Mal aufsah, war sie verschwunden.

2 Kommentare:

  1. Das war garantiert ein tausendmal gelesenes Lieblingsbuch.
    Ich selbst erinnerte mich kürzlich an ein Vorleseereignis aus meiner Kindheit: Ein Märchenbuch, was sag ich, der Buchblock eines Märchenbuchs im DIN A4 Format, am Rücken nur noch von einem Lederband zusammengehalten. Ich habe es geliebt, wenn mir meine Mutter daraus vorgelesen hat. Wenn ich das nächste Mal zu Besuch bin, muss ich unbedingt abklären, ob es das noch gibt!

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