Dienstag, 30. November 2010

Adventskalender 2010

Es weihnachtet sehr, auch in meinem Blog. Lieber Leser, in den nächsten 24 Tagen erkläre ich dir die Bestandteile des Buchs mit Hilfe von weihnachtlichen Fotos. Ich hoffe, du wirst Spaß an meinem bibliophilen Adventskalender haben und vielleicht auch etwas lernen. Damit du nicht mehr »Dingens!« und »Das da halt!« sagen musst, wenn du deine Schätze beschreiben möchtest.

Da waren es nur noch 665!


Verschwörung! Ganz sicher! Mich packte gestern der Nostalgie-Blues, als ich beim nächtlichen Stöbern auf ein besonderes Buch stieß: Bram Stokers »Dracula«. Das Buch gibt es in gefühlten zwei Milliarden verschiedenen Ausgaben, aber ich stieß durch Zufall genau auf eine vom Hanser-Verlag aus dem Jahr 1997. Da durchfuhr mich ein wohliger Schauer voller wunderbarer Erinnerungen. Als Kind verschlang ich nach Enid Blyton und den drei ??? die Bücher von Stephen King, bis meine Mutter irgendwann den Satz von sich gab: »Kind! Lies doch bitte etwas Ordentliches!«

Nach dieser Aufforderung, meine geliebten vergrabenen Untertassen, die toten Katzen und den gefräßigen Nebel hinter mir zu lassen, stöberte ich suchend durch unsere kleine Bücherei ... und stieß dabei genau auf diesen Klassiker der Weltliteratur. Es war genau dieselbe Ausgabe. Und es war Liebe auf dem ersten Blick.

Heute Abend war mir dann plötzlich klar, dass ich genau diese Ausgabe in meinem Regal stehen haben möchte, damit ich sie vielleicht mal wieder hervorhole, um sie zum vierten Mal zu lesen. Jetzt war die Zeit endlich da. Ich habe fieberhaft nach dieser besonderen Ausgabe gesucht. Nach einer Suchanfrage wurden mir tatsächlich 666 verfügbare Bram Stoker-Dracula-Ausgaben angezeigt, eine darunter war tatsächlich eine gut erhaltene Hanser-Ausgabe. Und nun? Siehst du, lieber Leser? Jetzt sind es nur noch 665 und ich warte gespannt auf mein Paket.

Montag, 29. November 2010

[TAG] – Geschenketipps in der FAZ

Ratschläge für unentschlossene Käufer – so nennt die FAZ den Artikel mit den Geheimtipps der Redakteure rund um Bücher, Videos und Musik. Interessant, was da so ab und an aufgelistet wird. Die Fragen finde ich spannend genug, um sie selbst zu beantworten. Und was sagst du so, lieber Leser?

Was süchtig macht:
Carlos Ruiz Zafón – Der Schatten des Windes (Suhrkamp, 2005)
Was zu Herzen geht:
Melinda Nadj Abonji – Tauben fliegen auf (Jung und Jung, 2010)
Was den Verstand schärft:
Roberto Bolaño – Die wilden Detektive (dtv, 2004)
Was das wieder kostet!:
Mark Z. Danielewski – Das Haus. House of Leaves (Klett-Cotta, 2007)
Was unbedingt sein muss:
Bram Stoker – Dracula (Hanser, 1992)
Was für Kinder:
Andy Stanton – Sie sind ein schlechter Mensch, Mr Gum! (Sauerländer, 2010)
Was längst fällig war:
Ben Lerner – Die Lichtenbergfiguren (luxbooks, 2010)
Was bleibt:
Hermann Hesse – Narziß und Goldmund (Suhrkamp)

Mittwoch, 24. November 2010

Non-Book – Mitwachsendes Regal

Vor zwei Monaten habe ich mein letztes Buchregal bekommen. Es ist knapp zwei Meter lang und war noch am selben Tag voll. Endlich konnte ich die Bücher, die sich langsam aber sicher auf dem Boden stapelten, in luftige Höhen verstauen. Nun sitze ich da und sie lauern schon wieder in den Ecken. Die bereits gelesenen Bücher haben unter der Fensterbank inzwischen eine Höhe von fast einem Meter erreicht. Wenn dir, lieber Leser, dieses Problem bekannt vorkommt, dann wird dir folgende Erfindung bestimmt gefallen: Ein Bücherregal, das mitwächst.
Wenn ich für jedes Regal, das ich besitze, durch diese Technik 30 Zentimeter gewinnen würde, hätte ich auf einem Schlag 5,10 Meter Platz. Hört sich gut an, oder?

Eulen in der Literatur

»Ei Thanelchen«, erwiderte diese, »weißt du das noch nicht? Das ist ein böser Mann, der kommt zu den Kindern, wenn sie nicht zu Bett gehen wollen und wirft ihnen Händevoll Sand in die Augen, daß sie blutig zum Kopf herausspringen, die wirft er dann in den Sack und trägt sie in den Halbmond zur Atzung für seine Kinderchen; die sitzen dort im Nest und haben krumme Schnäbel, wie die Eulen, damit picken sie der unartigen Menschenkindlein Augen auf.«

Aus: E.T.A. Hoffmanns »Der Sandmann«. In: »Nachtstücke« – Frankfurt am Main: insel taschenbuch 1982. ISBN: 3-458-32289-2

Dienstag, 23. November 2010

Fünfte Folge: Die Aufklärung

Ein paar Schlagwörter der Aufklärung gefällig, mit denen man inzwischen auch wirklich Jeden jagen kann? Kant! Selbstständiges Denken und Handeln! Sapere Aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Diese Bewegung prägte den weiteren Verlauf, den das Kinder- und Jugendbuch erlebte.

Christian Wolff (1676-1754) legte fest, dass die Vernunft der Grund jeder Erziehung ist. John Locke definierte in diesem Sinne das Kind neu: Es ist ein vernunftbegabtes Wesen und hat eine eigene kindliche Seele. Jean-Jaques Rousseau entdeckte die Kindheit und plädierte dafür, Kinder ihrem Alter entsprechend zu behandeln und zu erziehen. Die Kindheit ist ein eigener Abschnitt, der eine besondere Erziehung verlangt. Diese Ratschläge setzte er in seinem Erziehungsroman »Emile« (1762) um. Gleichzeitig trieb er die Idee voran, dass Bücher das natürliche Verhältnis der Kinder zu ihrer Umgebung zerstören. Sie hatten in der Welt der Erwachsenen deshalb nichts zu suchen. Eine schlimme Vorstellung, meiner Meinung nach.

Die Philanthropen – die Menschenfreunde – bildeten sich heraus, unter ihnen war Johann Bernhard Basedow (1724-1790), der sich für eine natürliche Erziehung der Kinder einsetzte. Dazu gehörte ein spielerischer Umgang mit dem Lernen. Das Zentrum der Philanthropin – eigene schulische Anstalten mit kindgerechtem Unterricht – entstand in Dessau und überhaupt wanderte der Buchmarkt mit der Aufklärung vermehrt vom Süden in den Norden von Deutschland. Berlin, Leipzig, Halle und Braunschweig waren die neuen Zentren.

Zu den Erziehern in den Philanthropin in Dessau gehörte Joachim Heinrich Campe, der einer der führenden Reformer wurde. Seine Geschichte erzähle ich dir, lieber Leser, im nächsten Blogpost.

Montag, 22. November 2010

Veranstaltung: Kranichsteiner Literaturförderpreis

Es war still in dieser Ecke von Darmstadt. Weite Wiesen, die wegen des anbrechenden Winters gräulich erschienen, zertrampelt, aufgewühlt, keine Spuren. Zwischen Wegen und Klettergerüsten grenzten unzählige Schulen aneinander, mal Glas-Holz-Stahl-Konstruktionen, mal zerfallene Betonklötze mit farbigen-verblichenen Säulen, Treppen, Überdachungen und eingeschlagenen, vollgesprayten Fenstern.
Sich hier zurechtfinden? Zumindest ich hatte da so meine Probleme. Mein Ziel auf diesem Gelände voller Schulen? Bertolt Brecht. Diese Schule lud nämlich zu einer Veranstaltung ein, die zumindest ich hier niemals erwarten würde: Die Verleihung des Kranichsteiner Literaturförderpreises.

Warum in einer Schule? Die Veranstalter wollten näher an das Publikum heran und nahmen Platz in einer gymnasialen Oberstufenschule. Die Schüler, allem voran die Leistungskurse Deutsch, hatten sich im Unterricht mit den Texten der drei Finalisten beschäftigt. Unter ihnen waren Daniela Dröscher (Berlin Verlag), Ricarda Jung (S. Fischer) und Andre Rudolph (luxbooks) – zwei Prosa-Texte und ein Langgedicht.

Ich habe mehrere Jahre in einem Gymnasium unterrichtet, sodass ich weniger am Urteil der Kritiker-Jury (bestehend aus Lerke von Saalfeld, Burkhard Müller und Andreas Platthaus) interessiert war, als vielmehr gespannt auf die Reaktionen der Schüler wartete. Diese wurde zunächst nur zögerlich vorgetragen, da die namenlose Jury auf dem Podest sehr einschüchternd wirkte. Und es kam, wie es kommen musste.


Daniela Dröscher stellte ein Kapitel ihres neuen Romans vor, der sich um das Leben der Schauspielerin Pola Negri dreht. Ich fand die Textstelle wunderbar, ihren Stil zeitlos-blumig, die Einleitung spannungsreich. Den Kritikern war er zu bildgewaltig und die Schüler konnten mit dem Text wenig anfangen, was aber eher am Kontext lag: Lebte Pola Negri wirklich? Wer war Pola Negri? Was ist TBC? Das Verständnis litt gewaltig.


Ricarda Jung las eine Kurzgeschichte vor, die vor Lokalkolorit nur so strotzte. Eine glatte, schnörkellose Sprache, Personen mit Problemen, viele Nasen und Drillingsmotive waren typisch für ihren Text. Mir persönlich war die Sprache zu platt und einfach, die Handlung und der Aufbau sehr konservativ und wenig überraschend, doch der Jury gefiel diese Kriminalgeschichte, insbesondere die einsame Atmosphäre des Drei-Figuren-Kosmos, sehr gut. Und den Schülern? Die Autorin schien zu verzweifeln – spätestens nach dieser Aussage: »Ich glaube, ich habe Ihre Intention nicht verstanden.« Und so ging es vielen: Die Handlung blieb zu wage, viele Wendungen wurden nur angedeutet und aufgeklärt schon mal gar nicht. Das verschreckte die jungen Leser eindeutig.


Andre Rudolph trat als letzter Finalist vor das Mikrofon. Sein Verleger Herr L. saß im Publikum und schien etwas nervös und vor allem sehr gespannt zu sein, denn sein Schützling hatte am Telefon eine Überraschung angekündigt. Einen neuen Text. Ein Experiment. Ein Langgedicht. »in der nordstraße...« behandelte eine bekannte Straße in Leipzig und der Autor versetzte sich in die Prostituierten, Alkoholiker und Spielsüchtigen, die dort im Park hausten. Er ließ sie alle sprechen, wechselte die Perspektiven und schaffte es mit viel Ironie und zweideutigen Passagen, die Zuhörer bis zum Schluss zu fesseln. Die Jury? Lobte. Die Schüler? Lobten ausgesprochen viel. Die Jury? Kritisierte die Verwendung von »...« – und die Schüler? Verteidigten den Schriftsteller.

So kam es, dass sich an diesem Tag die Lyrik durchsetzte und Rudolph den mit 5.000 Euro dotierten Literaturförderpreis gewann. Die Schüler-Jury stimmte ebenfalls für den luxbooks-Lyriker, der somit weitere 1.000 Euro erhielt. Andre Rudolph zeigte sich nach der Preis-Vergabe erleichtert. Sein Gedicht ist noch nicht abgeschlossen, und der Förderpreis bestätigt seine bisherige Arbeit an dem Text. Sein Debütband liegt im Verlag luxbooks vor.

Die Jury sprach von einem »Sprachkonzert« und einem »dicht verwebten Stimmenteppich«. Es gebe so viele Subjekte in dem Gedicht, dass der Erzähler zum Zuhörer wird. Die Mehrdeutigkeit gefiel vor allem dem FAZ-Redakteur Andreas Platthaus: »Das Sternzeichen Krebs mit der Krankheit zu kombinieren, ist schon ziemlich böse. Genauso die vom Adler gefressene und immer wieder neu nachwachsende Leber von Prometheus mit einem Alkoholiker zusammenzubringen.« Die Hinweise auf Homer seien gut gewählt und sehr klug eingebaut. Rudolph hat es geschafft, die Moderne und das epische Gedicht zu vereinen.

Wenn es einen Förderpreis gibt, existiert dann auch ein Kranichsteiner Literaturpreis? Ja, und er wurde am selben Tag verliehen. Er ist mit 20.000 Euro dotiert und ging dieses Jahr an die 1964 geborene und in Paris lebende Schriftstellerin Anne Weber. Sie erhielt den Preis als Anerkennung für ihr Werk. Damit tritt Weber in die Fußstapfen von Herta Müller, Martin Mosebach, Jan Faktor oder Helga M. Novak.

Zitate zum Thema Buch

»Ich habe Ruhe gesucht, überall und habe sie am Ende gefunden in einem engen Winkel bei einem kleinen Buche.«

Franz von Sales

Über die Buechereule

Ein wenig spät folgt nun ein kleiner Begrüßungspost mit einer kurzen Beschreibung, wer hier überhaupt bloggt. Als Buechereule mache ich gerade und schon immer Hessen unsicher. Ich bin 24 Jahre jung und studiere die absoluten Traumfächer schlechthin: Buchwissenschaft und Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. In meiner Freizeit lese und schreibe ich nicht nur gerne, sondern mache die Gegend mit meiner Canny und meinem Wortschatz unsicher.


Über meinem Bett hängt ein riesiges Poster von Hermann Hesse, ein Buchberg hat vorheriges Jahr meine Mutter erschlagen und überhaupt liebe ich diese kleine, quadratische rechteckige Erfindung, in der sich so viele Geschichten verstecken. Von dieser Leidenschaft möchte ich dir, lieber Leser, etwas vermitteln.
Ich hoffe, dass du viel Spaß mit meinem Blog hast.

Buchrezensionen auf dem Buechereulen-Blog

Hier findest du, lieber Leser, alle Buchrezensionen aufgelistet, die ich jemals gebloggt habe. Ich werde sie alphabetisch nach dem Namen des Autors ordnen.

Abonji, Melinda Nadj: »Tauben fliegen auf«

Apel, Friedmar: »Nanettes Gedächtnis«

Barnes, Jonathan: »Das Albtraumreich des Edward Moon«

Brontë, Emily: »Sturmhöhe«

Cast, P. C./Kristin: »House of Night 1: Gezeichnet«

Die drei ???, Top Secret Edition: »Brainwash – Gefangene Gedanken«

Die drei ???, Top Secret Edition: »High Strung – Unter Hochspannung«

Rezension – Top Secret Edition Die drei ???: »House of Horror – Haus der Angst«

Frost, Jeaniene: »Der sanfte Hauch der Finsternis«

Hildesheimer, Wolfgang: »Paradies der falschen Vögel«

Huston, Charlie: »Stadt aus Blut«

Lancaster, Mike: »0.4 – Eine perfekte neue Welt«

Nabokov, Vladimir: »Lolita«

Nothomb, Amélie: »Der japanische Verlobte«

Perec, Georges: »Ein Kunstkabinett«

Stiefvater, Maggie: »Lamento. Im Bann der Feenkönigin«

Teller, Janne: »Krieg. Stell dir vor, er wäre hier«

Thiemeyer, Thomas: »Chroniken der Weltensucher – Der gläserne Fluch«

Zafón, Carlos Ruiz : »Marina«

Zafón, Carlos Ruiz: »Mitternachtspalast«

Freitag, 19. November 2010

Rezension – Georges Perec: »Ein Kunstkabinett«


Die legendäre Kunstsammlung des Bierbrauers Raffke wird in Ohio erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Mit Mittelpunkt steht ein Gemälde, das auf einigen der deutschen Buchausgaben abgebildet ist und das ich unglaublich liebe: Es ist ein Gemälde, das ein Gemäldezimmer zeigt, in dem das Gemälde hängt, das ein Gemäldezimmer zeigt – in dem wiederum das Gemälde hängt usw. Das Bild spiegelt das Zimmer mit den Gemälden unzählbar oft wieder. Der Künstler Heinrich Kürz hat als Besonderheit Details der abgebildeten und wiedergespiegelten Gemälde verändert, sodass die Besucher der Kunstausstellung im Jahr 1913 ganz versessen darauf sind, die Geheimnisse mit einer Lupe persönlich zu ergründen.

Der Bierbrauer stirbt und wird zusammen mit seiner Kunstsammlung beerdigt. Das Sterbezimmer wird dabei genauso arrangiert, wie es im Gemäldezimmer aussieht: Dieselben Bilder hängen an der Wand, eine Staffelei steht in der Ecke und der Tote sitzt in einem Sessel. Nur noch der Hund an seiner Seite fehlt. Die Sammlung von Raffke wird versteigert, bis viele Jahrzehnte nach seinem Tod ein Brief auftaucht, der die gesamte Kunstszene durcheinander bringen wird.


Leider will Georges Perec dem Leser hier etwas vermitteln, was ihm nicht ganz gelingt: Er baut ein starres Gerüst auf, das Fakten wiedergeben soll. Rein dokumentarisch soll »Ein Kunstkabinett« sein und Seite um Seite ergeht sich Perec in Beschreibungen der Bilder, der Entstehungsgeschichte, der Besonderheiten und den Verkaufspreisen. Kunstexperten und Zeitungen werden eingearbeitet und zitiert. Und doch habe ich ihm diesen Stil nicht abgenommen. Ständig habe ich auf den roten Erzählfaden gelauert. Versteckte er sich etwa und kam nach der Beschreibung des besonderen Gemäldes? Nein. Nach dem Tod von Raffke? Nein. Ging es endlich nach der Versteigerung los? Nein, denn Perec bleibt auf seiner künstlich wirkenden, starren Dokumentarebene, mit dem sich der Leser abfinden muss. Mit ihrer Hilfe baut er eine Welt auf, sucht sich Beweise und Rechtfertigungen, die er innerhalb der letzten zwei Seiten komplett zerstört – und das relativ brutal und gnadenlos. Lieber Leser, suchst du ein Buch, das dich vor den Kopf stößt? Bist du masochistisch verlangt? Dann schnapp dir diesen Perec und leide!

Was zurückbleibt ist lediglich das unbestimmte Gefühl, etwas verpasst zu haben: Unzählige Anspielungen, mehrdeutige Passagen, Insider aus dem Kulturbetrieb. Um das allerdings aufzuarbeiten und komplett verstehen zu können, reicht es nicht, das Buch erneut zu lesen. Eine Dissertation über Perec und sein Werk wäre ebenfalls nötig. Zusammen mit einer über den Kunst- und Kulturbetrieb. Schade.

Das Kinder- und Jugendbuch – Die Realienpädagogik des 17. Jahrhunderts

Anfang des 17. Jahrhunderts beginnt für das Kinder- und Jugendbuch die entscheidende Phase mit einem Umbruch im Denken der Gesellschaft: Es entwickeln sich Verlage, die speziell für Kinder und Jugendliche publizieren und auch Autoren, die für diese Zielgruppe schreiben. Doch wo beginnt diese Entwicklung?

Vielleicht bei Johann Amos Comenius. Der Philosoph, Theologe und Pädagoge lebte von 1592 bis 1670 und beklagte sich über die Schulpädagogik. In den Büchern würden nur Wörter stehen, keine veranschaulichende Beispiele. Es wären nur komplexe, abstrakte Sachverhalte, keine Dinge. Keine Realien. Aber gerade die könnten das Lernen und das Verstehen erleichtern. Die Realienpädagogik des 17. Jahrhunderts war somit geboren. Comenius forderte im Wesentlichen drei Dinge: das Erkennen der Dinge, der Zusammenhänge und der Welt. Es entstanden Realienkabinette, die beim Begreifen und Verstehen helfen sollten. In der Welt der Bücher arbeiteten die Verleger zur Veranschaulichung mit Holz-, später mit Kupferstichen. Eine weitere Erneuerung war der Unterricht in der Muttersprache. Die Schulbücher waren jetzt auf Deutsch verfasst und nicht mehr auf Latein.

Das erste bewusste Kinderbuch war das »Orbis sensualium pictus« (Nürnberg, 1658). Es beschrieb das Wandern durch die Welt mit Hilfe von 200 Tafeln. Der Titel führt ein wenig in die Irre, denn das Buch ist zweisprachig geschrieben und hat sowohl eine »Invitatio« als auch eine »Einleitung«.

Telemann Olearius verfasste die »Deutsche Sprachkunst« (1630), in der Bilder zur Orientierung dienten und die Fantasie anregten. Das »A« wurde den Kindern als Aal vermitteln (ein Regenwurm mit dem Kopf einer Gans), der sich so ringelte, dass die Figur dem Buchstaben ähnelte. Das »O« war als Ohr abgebildet und das »V« logischerweise als geöffnete (Taschen-) Uhr – schließlich arbeitete Telemann Olearius noch mit dem lateinischen Alphabet.

Die Realienpädagogik des 17. Jahrhunderts veränderte den Markt des Kinder- und Jugendbuchs. Die wesentlichen Veränderungen spiegelten sich im Bedeutungsverlust des Lateinunterrichts wider. Stattdessen wurden Geschichte, Erdkunde und Naturkunde in der Schule bevorzugt. Die Adaption von Wissen war auf die kindliche Auffassungsgabe angepasst und Bilder kamen zum Einsatz. Können diese Entwicklungen noch übertroffen werden? Natürlich – und zwar in der Zeit der Aufklärung.

Mittwoch, 17. November 2010

Bücher-Haul – Suhrkamp-Spezial

Endlich lag das letzte Buch bei mir im Briefkasten und ich freue mich schon seit der Bestellung darauf, beide endlich in den Händen zu halten. Die Rede ist von zwei Siegfried Unseld-Büchern: Einmal »Briefe an die Autoren« (Bibliothek Suhrkamp, 2004) und einmal »Der Autor und sein Verleger« (suhrkamp taschenbuch, 1985). Leider bin ich ein Mensch, der sich für Bücher unheimlich schnell begeistern kann. Als Herr S. in einem Seminar das blaue Taschenbuch als Lesetipp hochhielt, war es sofort um mich geschehen. Gerade deshalb, weil es um den deutschen Traditionsverlag mit seinen unglaublich tollen Autoren geht.


Von den aktuellen Ereignissen und Entwicklungen mag jeder sagen und denken, was er möchte, aber ich selbst liebe die Geschichte des Verlags: Die Anfänge mit Peter Suhrkamp, der Kampf gegen die Nationalsozialisten, der Bruch mit dem S. Fischer-Verlag, der junge Siegfried Unseld, der mit den Taschenbüchern den Markt auf den Kopf stellte, die wilden 68er und natürlich die Autoren und die Beziehung des Verlags zu ihnen. »Wir verlegen keine Bücher, wir verlegen Autoren«, betonte Unseld und drückte damit seine Verlagsphilosophie aus.

Ich freue mich auf eine weitere Dosis Suhrkamp-Kultur, wenn ich mir die Aufgaben eines literarischen Verlegers anschaue. Wenn ich Hermann Hesse, Bertolt Brecht, Rainer Maria Rilke, Robert Walser und ihre Verleger auf dem Weg zum fertigen Buch begleite. Ich freue mich auch auf das Stöbern in den Briefen zwischen Unseld und den Suhrkamp-Autoren. Beim ersten Hineinschnuppern fiel mir sofort der erste Brief ins Auge, der an Hermann Hesse adressiert ist – vom 31. Dezember (1951). Ein gutes Datum, um mit diesem Buch zu beginnen, wie ich finde.

Dienstag, 16. November 2010

Das Kinder- und Jugendbuch – Das 16. Jahrhundert

Wie sieht das 16. Jahrhundert aus? Gibt es hier schon Kinder- und Jugendbücher? Jein, denn dafür fehlte bislang das richtige Bewusstsein der Aufklärung. Kinder waren lediglich kleine Erwachsene. Es gab zwar Kinder- und Jugendbücher (ich werde dir, lieber Leser, gleich einige vorstellen), allerdings waren sie nicht auf diese Zielgruppe abgestimmt. Es waren eben Bücher für kleine Erwachsene.

Der erste Bestseller erschien in der Sparte der religiösen Unterweisung: Der Katechismus von Martin Luther wurde als Buch in Dialogform gedruckt. Auf eine religiöse Frage gab es eine passende Antwort, einen Kommentar und ein Bild dazu. Mit wahrscheinlich über 100.000 Büchern war die Auflage dieses Buches gewaltig – vor allem, wenn man sie in Relation zur damaligen Lesefähigkeit setzt.

Rechnen und schreiben? Kein Problem im »Ein newgeordnet Rechenbüchlein« von Jakob Köbel, das 1514 in Augsburg gedruckt worden ist. In diesem Elementarwerk behandelte Köbel alle Grundrechenarten, zudem noch das Münz- und Maßwesen.

Interessant ist die Betrachtung des ersten deutschsprachigen Buches mit Illustrationen: Es heißt »Edelstein« und gehört zu den Bamberger Frühdrucken, die 1461 erschienen sind. In diesem Werk spielen der schlaue Fuchs und die hinterlistige Schlange eine Rolle, denn es geht um Fabeln. Die Illustrationen erzählten Geschichten, die alle mit einer Moral enden. Ein Beispiel? Vater und Sohn gehen mit einem Esel auf Reise. Der Sohn sitzt auf dem Tier, bis ihnen ein Wanderer entgegenkommt und schimpft, warum denn der gesunde Junge auf dem Tier sitze und nicht sein alter Vater? Sie tauschen die Rollen und der Junge führt den Esel, bis ein anderer Wanderer kommt, der ebenfalls schimpft: »Wieso sitzt der egoistische Vater auf dem Esel und lässt das arme Kind den ganzen Weg laufen?“ Da setzen sich beide auf den Esel und reiten weiter. Was kommt nun? Natürlich ein dritter Wanderer, der wieder schimpft, dass sie viel zu schwer für das arme Tier seien. Die Moral von der Geschichte? Man kann es nie jedem rechtmachen.

Ein Tisch, auf dem ein großer Kothaufen liegt, ist typisch für den Eulenspiegel. Diese Anti-Didaxe richtete sich damals gegen alles: Gegen die Zünfte und Handwerker, gegen die vorherrschende Moral und die Verlogenheit der Gelehrten. Der Name leitet sich von der Eule ab, die für die Athene steht und ein Zeichen der Weisheit ist – ebenso wie der Spiegel. Diese Weisheit wird allerdings mit einem Holzhammer vermittelt, wie er frivoler, anstößiger, ordinärer und obszöner nicht sein könnte. Verwundert es daher, dass die Bücher ohne die Nennung eines Verlags oder eines Autors erschienen sind? Dies hinderte die Forschung bislang aber nicht daran, Theorien zur Urheberschaft zu entwickeln. Als möglicher Verfasser kommt Herman Bote, ein Zollschreiber aus Braunschweig, infrage. Es ist ein norddeutscher Text, der wegen den Typen allerdings in Straßburg gedruckt worden ist. Die Anfangsbuchstaben jedes Kapitels bilden den Namen des potentiellen Verfassers. Die erste nachweisbare Ausgabe erschien 1515 bei Grüniner, allerdings wird vermutete, dass der Eulenspiegel dort bereits 1510/11 gedruckt worden ist. Es ist ungewöhnlich, dass der Verlag und der Autor zur damaligen Zeit so weit voneinander entfernt lagen. Nun aber zum Eulenspiegel selbst: Das Buch beinhaltet 96 Geschichten und beginnt bei der Taufe und endet mit der Beerdigung von Eulenspiegel. Den Holzhammer packte der Verfasser in allen Geschichten aus. Einmal verteilte Eulenspiegel das Beste, was er jemals hervorgebracht hat: seinen eigenen Kot als Kügelchen, die er als Wundermittel verkaufte. Ein anderes Mal formte er Eulen und Meerkatzen statt den allgemein akzeptierten und anerkannten Bretzeln in der Backstube. Eulenspiegel vermittelte eine harsche Art der Erziehung, weshalb auch fraglich ist, ob er schon damals für die Kindererziehung geeignet war oder gar verwendet worden ist.

Wie ging es mit den Vorläufern der Kinder- und Jugendbüchern weiter? Die Volksbücher bedienten ein weiteres Feld. Die »Melusine« (Basel, 1475) behandelte das Märchen einer Meerjungfrau und wurde in den Volkssprachen Deutsch, Französisch und Italienisch verbreitet. In »Fortunatus« (1509, Augsburg) suchte ein Kaufmann nach seinem Glück und fand es durch sein geschicktes Handeln und Wissen. Das Buch von Johann Otmar ist mit Holzschnitten von Jörg Breu d. Ä. illustriert und erschien nachweisbar in mindestens 16 deutschen Auflagen. Somit war »Fortunatus« für mindestens drei Jahrzehnte ein Besteller.

Montag, 15. November 2010

Lesezeichen – Schussfest? Treffsicher!

Durch meine Arbeit komme ich manchmal in den Genuss, merkwürdige Sachen zu erleben. So beispielsweise auch an einem Sonntag vor zwei Wochen, als ich mich auf einer Schießanlage wiederfand und drei grazile Damen mit ihren Luftgewehren auf mich zielten. Das Ganze klingt vermutlich schlimmer, als es in Wirklichkeit war. Die Gewehre waren natürlich gesichert und ungeladen und eigentlich zielten sie nicht auf mich, sondern in das Weitwinkel-Objektiv meiner Kamera.


Weil ich mich im Anschluss so nett mit dem Vorsitzenden der Schützengilde unterhalten hatte, durfte ich dann auch mal selbst meine Kamera gegen ein Luftgewehr tauschen. Die Zielscheibe lag zehn Meter entfernt und die Waffe war ziemlich schwer. Da ich es gewohnt bin, mich beim Arbeiten mit dem Tele auf meine Atmung zu konzentrieren, klappte der erste Schuss erstaunlich gut. Beim Zweiten versagten meine Kräfte – die Waffe ist dann doch um einiges schwerer als meine Ausrüstung. Immerhin habe ich jetzt ein hübsches, selbst geschossenes Lesezeichen, das demnächst bei Krimi-Büchern seinen Einsatz finden wird.

Sonntag, 14. November 2010

In 40 Tagen ist Weihnachten

Wortschatz und ich tauschen jedes Jahr vor Weihnachten Wunschlisten aus. Das ist eine sehr praktische Erfindung, die einem sein Wunschgeschenk garantiert. Da die Listen immer sehr lang werden, geht der Überraschungseffekt auf keinen Fall flöten.

In diesem Jahr wird es jedoch eine kleine Änderung geben, denn ich werde nur einen Wunsch vermerken. Den Weltfrieden? Eine B 42? Eine Leica M9 mit einem 50/1:0,95 ASPH-Objektiv? Nein, ich wünsch mir einen Baum – einsehbar hier. Natürlich selbstgebastelt. Mal schauen, inwieweit der Ehrgeiz von Wortschatz angestachelt wird. Eine komplett leere Weihnachtswunschliste wirkt bestimmt Wunder. Hoffentlich!

Post Scriptum: Falls dieser Post als »doof« bewertet wird, darfst du, lieber Leser, nur einmal raten, wer das gewesen sein dürfte.

Gespräche aus dem Alltag einer Büchereule

Vor grauen Urzeiten absolvierte ich ein Praktikum in meiner Stammbuchhandlung. Die freundliche und fachkundige Betreuung der Kunden stand dort im Mittelpunkt und sicherte mir einige unvergessliche Erlebnisse. Aber nicht das Mädchen, die nach »Göthe« suchte, gewann mein persönliches Ranking der lustigsten Augenblicke, sondern ein älterer Herr. Ich traf ihn bei der Belletristik-Abteilung an.

»Guten Tag, kann ich Ihnen weiterhelfen?«
»Ja, vielleicht. Wissen Sie, ich suche ein Buch. Einen historischen Roman, aber nicht mit soviel Geschichte.«

Morgen gehe ich zum McDonald's und bestelle einen Cheeseburger ohne Käse. Mal schauen, ob ich mich in einigen Jahren in einem Fastfood-Blog wiederfinden werde.

Samstag, 13. November 2010

Rezension – Amélie Nothomb: »Der japanische Verlobte«


Die großen Zeiten der Schriftstellerin Amélie Nothomb sind vorbei. Vorerst zumindest. Ich bin zwar eigentlich ein großer Fan seit frühester Stunde, doch eher von ihren fiktionalen und eher weniger von ihren autobiografischen Werken. Leider gehörten ihre letzten Veröffentlichungen zur zweiten Kategorie. Leider bestätigten sie meine Meinung. Mal wieder, und das macht mich sehr unglücklich.

In »Der japanische Verlobte« erzählt die Autorin, wie sie in Japan Französisch unterrichtet, um besser japanisch zu lernen. Dabei lernt sie Rinri kennen. Nicht ihr Zusammenkommen ist interessant, sondern die kulturellen Unterschiede, die die Belgierin und der Japaner in ihrer Beziehung gemeinsam meistern müssen. Dabei rutscht die Autorin ein wenig ins Esoterische ab, beschreibt eine gruslige, jedoch gelungene Nahtoderfahrung und ihre etwas merkwürdige Liebe zu japanischen Gebirgen und zum Bergsteigen im Allgemeinen. Ob sie und Rinri gemeinsam glücklich werden können? Wer Nothomb kennt, wird auch die Antwort erahnen.

Amüsant und kurzweilig, mehr aber leider nicht, denn irgendwie bleibt die Geschichte zu oberflächlich, um mir einen genauen Einblick in die verschiedenen Kulturen zu liefern. Astronautenfutter und Sprachverwirrungen alleine genügen mir nicht. Ich habe mehr erwartet.

Liebe Amélie Nothomb, ich hoffe, dass Dein nächstes Buch wieder genauso spannend, böse, fiktional, skurril wird, wie beispielsweise »Der Professor« – meiner Meinung nach Dein bestes Werk. Von mir gibt es dafür leider nur die Note 3-4.

Donnerstag, 11. November 2010

Gespräche aus dem Alltag einer Büchereule

Letztens habe ich zwei bekannte Buchhändler besucht. Nachdem ich im Laden gestöbert und nett mit ihnen geplaudert habe, klagte ich ihnen mein Leid.

»Ihr habt es so gut. In eurem Laden sind alle Bücher fertig, sehen schön aus und haben meistens auch ein tolles Innenleben. Aber im Verlag bekommt man die tollsten Sachen auf den Tisch gestellt: Unverlangt eingesandte Manuskripte. Es gibt wenig Zeug, das schlimmer oder erschreckender ist. Besonders schlimm sind Männer im mittleren Alter, die ihre Urlaubsreisen in ihren Romanen verarbeiten. Oder kleine Beamtinnen, die immer mit ungeheuer blutrünstigen Krimis ankommen. Schlechte Lyrik? Psychopathische Figuren mit Über-Mutter? Langweilige Biografien? Flache Handlungen? Klischee-Charaktere? Unter 100 Manuskripten kann man vielleicht eins oder gar zwei zur genauen Prüfung anfordern. Der Alltag im Verlag kann grausam sein.«

Da schüttelte Frau M. entschieden ihren Kopf. »Hast du eine Ahnung. Du bekommst das Zeug per Post. Wir haben die Leute gleich persönlich am Hals, die uns ihre Romane zum Verkauf andrehen wollen. Wohlgemerkt die, die im Selbstverlag erschienen sind. Bis du die abgewimmelt hast ...!«

Natürlich ist ihre Situation schlimmer. Menschen, die einem etwas andrehen wollen, sind fast immer schlimm. Aber auch aus einem anderen Grund ist meine Arbeit dann doch wesentlich besser, denn immerhin habe ich noch jedes Mal die Hoffnung, etwas Neues, Großartiges, Unglaubliches zu entdecken. Immer, wenn ich einen der großen, dicken Umschläge öffne, die ordentlich ausgedruckten Seiten in die Hände nehme, das Anschreiben, das Exposé und den Textauszug lese, hoffe ich, irgendwann einmal den nächsten Bestseller in den Händen zu halten. Ganz in Ruhe, ohne ein Verkaufsgespräch.

Rezension – Wolfgang Hildesheimer: »Paradies der falschen Vögel«

Die Mona Lisa, die im Pariser Louvre hängt, ist eine Fälschung. Zumindest behauptet das der Erzähler, Künstler und Märtyrer Anton Vehlhagen. In dem Roman »Paradies der falschen Vögel« von Wolfgang Hildesheimer (Suhrkamp) wird der komplette Kunst- und Kulturbetrieb kritisch durchleuchtet und parodiert – auf eine unglaublich unterhaltsame Art und Weise.

Als Kind fälscht Anton ohne böse Absicht den Prager Misthaufen, übt sich dann als Künstler und wird von seinem Onkel Robert Guiscard stolz beobachtet, denn dieser ist ein begabter Fälscher. Seine Kopie der Mona Lisa hängt nun im Museum und für das Original erhielt er einen Künstlerpreis für die perfekte Kopie. Im fremden Land Procegovina erfindet Guiscard die Biografie und das Werk des Nationalkünstlers Ayax Mazyrka und eher unfreiwillig wird Anton Vehlhagen in die Welt des Fälschens hineingezogen.

Hildesheimer stellt das Motiv der Kunstfälschung in allen möglichen Situationen dar, fälscht, ergänzt, erfindet neue Werke, spielt mit der Originalität und dem Authentischen und entwickelt auf nur 140 Seiten eine Welt, die selbst eine Fälschung ist: Die Länder Procegovina und Blavazien mit zahlreichen Figuren, die in allen möglichen Bereichen und Situationen fälschen, betrügen, verschleiern, manipulieren, ignorieren und unterschlagen. Hildesheimer entwirft wirklich ein Paradies der falschen Vögel, das von ihm kurios, ironisch und intelligent konstruiert wird. Lediglich am Anfang lässt er seine Hauptfigur ein wenig zu lange und mit zu vielen Informationen schwafeln, doch nach diesem holprigen Anfang wird der Roman genial. Versprochen. Dafür gibt es von mir die Note 2.

Dienstag, 9. November 2010

Bücher-Haul – Für die Uni

Mindestens zwei Mal im Jahr bestelle ich mir unheimlich viele Bücher, nämlich immer dann, wenn das neue Semester beginnt. So auch jetzt, und im Laufe der Woche sind die letzten Bücher per Post bei mir eingetrudelt.


Ich freue mich schon jetzt darauf, eins nach dem anderen zu verschlingen, denn es sind viele tolle Sachen dabei. Insgesamt habe ich mir elf Bücher bestellt, zwei hatte ich bereits und zwei andere habe ich mir im Sommer schon geholt. Der liebe Herr L. hat mir dann noch zwei Bücher ausgeliehen, aber gemeinerweise gehören sie zu einer Sammelbox. Und ich weiß jetzt schon, dass ich mir diese Edgar-Allan-Poe-Box unbedingt zulegen möchte, schon allein deswegen, weil sie vom Insel-Verlag ist und den Nachtmahr als Titelbild hat. Ich bin fast umgefallen, als Herr L. sie mir in die Hand gedrückt hat.


Was liegt nun auf meinem SUB und wird demnächst hier rezensiert werden?

Gekauft
André Gide: »Die Falschmünzer«
Henry James: »The Turn of the Screw and The Aspern Papers«
Kazuo Ishiguro: »Was vom Tage übrigblieb«
Georges Perec: »Ein Kunstkabinett«
Thomas Mann: »Der Tod in Venedig«
Peter Ackroyd: »Chatterton«
Ambrose Bierce: »Meistererzählungen«
Italo Calvino: »Wenn ein Reisender in einer Winternacht«
Wolfgang Hildesheimer: »Paradies der falschen Vögel«
Theisohn: »Plagiat«
Albert Camus: »Der Fall«
(Fehlt auf dem Foto leider – das freche Buch hat sich versteckt!)

Bereits im Besitz/im Sommer gekauft
Vladimir Nabokov: »Lolita«
Emily Brontë: »Sturmhöhe«
John Banville: »Athena«
Nicolas Born: »Die Fälschung«

Ausgeliehen
E.T.A. Hoffmann: »Nachtstücke«
Edgar Allan Poe: »Sämtliche Erzählungen 2«

Besonders gespannt bin ich auf Perec, Nabokov und Brontë. Italo Calvinos Roman habe ich bereits vor einigen Jahren gelesen, aber wenn die Zeit reicht, werde ich es auf alle Fälle noch einmal querlesen. Mal schauen, inwieweit mich die anderen Bücher begeistern und überraschen werden. Derzeit liege ich in den letzten Zügen vom Hildesheimer und bin schwer beeindruckt. Dazu aber, lieber Leser, in einem anderen Post mehr.

Das Kinder- und Jugendbuch – Humanismus und Reformation

Es war die Zeit der Wiegendrucke, als die ersten Bestseller für den Kinder- und Jugendbuchmarkt entstanden. Doch wieso erst jetzt? Vorher hatte man quasi auf dem Rücken von Schweinen und Kühen geschrieben – zumindest bildlich gesprochen. Der Beschreibstoff Pergament bestand nämlich aus einer leicht bearbeiteten Tierhaut. Erst als das Papier aus Lumpen und später aus Pflanzenfasern nach Europa kam, verschwand das Pergament so nach und nach. Die Erfindung von Gutenberg, eigentlich Johannes Gensfleisch, ist der Buchdruck mit beweglichen Metall-Lettern. Zusammen mit dem neuen, billigen Beschreibstoff konnten die ersten Bestseller für den Massenmarkt gedruckt werden. Und diese sahen etwas anders aus als der Harry Potter, die kleine Raupe Nimmersatt oder die Zwillinge Hanni und Nanni von heute.

24 Seiten stark war die Kurzgrammatik »Ars Minor« von Aelius Donatus. Der Traum aller Lateinschüler fasste die Konjugationen eines Wortes in einer Zeile zusammen. Tabellen? Nein, platzsparend sollte das Lehrbuch von damals sein.

Wie sah der Markt in dieser Zeit aus? Wurden nur Bücher für den Lateinunterricht gedruckt? Fast. Während der Inkunabelzeit waren 90 Prozent aller gedruckten Bücher in Latein verfasst. Die restlichen zehn Prozent teilten sich in den Volkssprachen auf. Es waren vor allem Bücher für die Liturgie, die auf den Tischen der Drucker landeten, darunter vor allem Messebücher und die Evangelien. Die Lesefähigkeit lag bei unter zwei Prozent. Mit dem Humanismus setzte der Glaube an die allgemeine Bildungsfähigkeit des Menschen ein und mit der Renaissance begann die Rückbesinnung auf Texte der Antike. Und mit Hilfe von Gutenberg und dem neuen Beschreibstoff konnte die Bildung der Jugend vorangetrieben werden.

Im Zuge des Humanismus kamen viele Bücher für die fleißigen Discipuli auf den Markt. Typisch waren Abbildungen zwischen dem Lehrer und dem Schüler und Erziehungsratgeber. Sebastian Brant (1457-1521), Stadtschreiber und Jurist in Basel, veröffentlichte 1494 das »Narrenschiff«, in dem er alle Torheiten des Lebens aufzählte. Interessant ist die Abbildung des Büchernarren: Er hortet unnütze Bücher, was schlimm ist, denn unnütz ist hier mit ungelesen gleichzusetzen.

Neben Erziehungsratgebern kamen auch Anstandsbücher auf den Markt, darunter »Ein schön christlich new Spil von Kinderzucht« (Straßburg 1574). Hier wurde das Leben des braven Hänschen gezeigt, der zum Dr. Johannes wurde. Aleator hingegen, der Glücksspieler, war untauglich und landete in der Gosse. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

Etwas bekannter dürfte die Methode der Negativdidaxe sein: Böse Eigenheiten, gemeine Eigenschaften und schlechtes Benehmen werden so übertrieben dargestellt, dass sie dem Kind in all ihren Konsequenzen dargestellt werden können. Der »Grobianus« (1551) von Friedrich Dedekind gehört dazu. Ein braves Kind nimmt sich beim Essen die besten Stücke zuerst, reinigt seine Zähne mit dem Messer und isst bis zum Platzen. Der Struwwelpeter und der Eulenspiegel gehören zur selben Kategorie.

Für Mädchen gab es eigene Anstandsbücher. 1493 veröffentlichte Marquardt von Stein ein Büchlein mit Tipps, wie sich eine perfekte Ehefrau zu verhalten hat.


Erste Folge verpasst, lieber Leser? Hier nachlesen: Klick!
Nächste Woche folgt die Realienpädagogik des 17. und 18. Jahrhunderts und die Zeit der Aufklärung in Deutschland.

Sonntag, 7. November 2010

Zitate zum Thema Buch

»Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.«

Arabisches Sprichwort

Mittwoch, 3. November 2010

Bücherseiten im Netz: neuebuecher.de


Über Twitter bin ich auf eine Website gestoßen, die ich als Projekt sehr spannend finde. Nun teste ich sie gerade ausgiebig und möchte dir, mein lieber Leser, meine Erfahrungen nicht vorenthalten. Es geht um die Website NeueBuecher.de

Worum geht es? Zunächst um eine spannende Idee. Die Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH (MVB) hat ein Portal entwickelt, das alle Neuerscheinungen auflistet, die im »Verzeichnis Lieferbarer Bücher« (VLB) stehen. Der Zeitraum lässt sich in der Suchfunktion auf drei Monate vor bzw. nach dem Erscheinen des neuen Titels eingrenzen. Praktisch ist außerdem, dass die Suchfunktion in verschiedene Genres unterteilt werden kann.


Die Übersichtsseite ist sehr schlicht und gut strukturiert. Als neuer Nutzer fand ich mich sofort zurecht und freute mich über ein sehr intuitives Konzept. Das Logo verweist sofort auf den Börsenverein des Deutschen Buchhandels und hat einen hohen Wiedererkennungswert.
Im Suchfeld hat man die Möglichkeit, sofort gezielt nach einem Titel, Stichwort oder Autor zu suchen oder entscheidet sich zunächst nur für ein Genre. Leider klappt das Auswahlfeld nicht zu, nachdem man sich für ein Suchkriterium entschieden hat. Ebenfalls schade ist, dass der Zeitraum nicht gespeichert wird. Bei jeder neuen Suchanfrage stellt sich automatisch »Letzte und nächste 3 Monate« (wieso eigentlich nicht »LetzteN und nächsteN DREI Monate«?) ein.
Hat man sich für ein Genre entschieden, werden die Neuerscheinungen alphabetisch sortiert. Eine andere Sortierfunktion gibt es leider nicht. Dafür kann man bei Gefallen sofort ein Knöpfchen drücken: »Gefällt mir!« Was an Facebook erinnert, bleibt aber bei neuebuecher.de und wird nicht weitergeleitet. Dieses Däumchen nach oben dient lediglich dazu, anderen Suchern ein Signal zu geben, dass das Buch beachtet und für gut gefunden wurde. Die Social Bookmarks (Facebook, twitter, delicious und E-Mail) befinden sich direkt unter den Details der Einzeltiteln, ebenso der Button für die Merkliste.
Zwar ist neuebuecher.de eine reine Informationsplattform, aber ein Link zur MVB-Verkaufsplattform buchhandel.de neben dem ausgewählten Titel darf natürlich nicht fehlen.
Die Menge und Vollständigkeit der Informationen finde ich etwas merkwürdig gelöst. Sowohl neuebuecher.de als auch buchhandel.de beziehen ihre Informationen aus dem VLB, aber viele Titel auf dem Informationskanal haben keine Coverbild, auf dem Verkaufskanal hingegen schon. Merkwürdig. Ärgerlich finde ich diesen Umstand besonders in der Kategorie »Non-Books«. Wenn mir spannende Angaben gemacht werden, kann ich mir unter den Produkten ohne Bildern meistens nichts vorstellen (Ist der Fächer nun grün oder blau, groß oder klein?). Erst wenn ich der Verlinkung auf buchhandel.de folge, wird mir das Produkt mit einem Bild schmackhaft gemacht. Sehr Merkwürdig. In der Kategorie »Non-Books« ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass viele falsche Produkte aufgelistet sind. Gehören hier wirklich ein Handbuch zum Bauauftrag oder ein erotischer Roman hinein? In anderen Kategorien ist mir das nicht aufgefallen.


Es gibt die Möglichkeit, sich kostenlos auf neuebuecher.de zu registrieren. Dadurch habe ich die Möglichkeit, meine Startseite individuell auf meine Bedürfnisse anzupassen und kann mir beispielsweise nur Krimis oder Kinderbücher anzeigen lassen. Unter dem eigenen Profil kann man sich sogar durch die einzelnen Warengruppen klicken und wirklich sehr genau definieren, ob man wirklich Aphorismen, Briefe und Tagebücher oder doch lieber nur Hauptwerk vor 1945 und Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews haben möchte. Wahnsinn.


Außerdem kann ich Newsletter oder RSS-Feeds (insgesamt jeweils maximal zehn Stück) abonnieren, die meine gewünschten Kategorien oder Suchbegriffe enthalten. Eine Mail kann täglich, wöchentlich oder monatlich erscheinen und sich beispielsweise nur auf ein bestimmtes Medium (DVD, Kalender, E-Book, Hörbuch, etc.) beziehen. Äußerst praktisch. Dadurch entfällt auch der mysteriöse Zustand, dass es zwar »Non-Books« als Suchkategorie gibt, hier in der Aufzählung aber erst unter den Formaten auftaucht. Interessant ist die Idee, die Suchfunktion auf einen Verlag zu begrenzen. Bei diesen Auswahlmöglichkeiten sind den Suchenden wirklich keine Grenzen gesetzt. Ob die Anzahl von maximal zehn Newslettern vielleicht zu wenig sein könnte, kann ich selbst noch nicht einschätzen.
Demnächst werden Widgets für die eigene Website erstellt. Darauf bin ich sehr gespannt. Angemeldete Mitglieder können die Bücher bewerten und kommentieren und sich selbst eine Merkliste anlegen, die ausgedruckt werden kann.

Insgesamt hat die Seite kleine Schwächen (fehlende Bilder, falsche Zuordnungen), ist aber sonst funktionell und sehr individualisierbar. Sie ist übersichtlich und bietet sehr praktische Funktionen (Newsletter). Toll wäre natürlich, wenn beispielsweise Verlage die Möglichkeit hätten, selbstständig z.B. Buchtrailer oder Leseproben einzubinden. Ich werde die Plattform auf alle Fälle im Auge behalten.

Dienstag, 2. November 2010

Buchmesse 2010 – Fünfter Tag, mehr als fünf Stunden Schlaf gesucht


Der letzte Tag war ein Buchmessetag der Kontraste. Einerseits gab es Hallen, die übervoll waren. Das Stöbern und Entdecken machte hier keinen Spaß und die Zugabe – schlechtgelaunte Messebesucher – war ebenfalls nicht erfreulich. Wesentlich interessanter wurde es in den Hallen abseits der Massen: Gähnende Leere, abgeräumte Regale und lauter Menschen, die mit dem Aufräumen beschäftigt waren.


Stille kehrte ein in die Hallen – so nach und nach. Spätestens nach der Mittagszeit deckt an Sonntagen ein kollektives Wachkoma die Standbetreiber zu, die langsam und mit steifen Gliedern mit dem Einpacken beginnen.


Regale werden leergeräumt, Bücher verpackt, Schilder vorsichtig von der Wand gelöst. Bereits eine Stunde vor Schluss türmte sich das Verpackungsmaterial bei uns in Halle 4.1, die ersten Sektflaschen wanderten von Stand zu Stand und besonders coole Verleger setzten sich über das Rauchverbot hinweg. Alles egal, alles vergessen, denn durch die Anstrengungen der letzten Tage hatte man ein dickes Fell bzw. Hornhaut angesammelt.


Schmerzende Fußsohlen, steife Beine, verspannte Nacken, Kopfschmerzen. Als der Gong zum letzten Mal ertönte, um die letzten Besucher am letzten Tag hinauszuscheuchen, war alles vergessen und überall fiel die Anspannung von den Menschen.


Nach einem turbulenten letzten Nachmittag verabschiedete ich mich ebenfalls etwas wehmütig von der Buchmesse. Um 19.42 Uhr stieg ich in die Straßenbahn und blickte zum letzten Mal zurück auf den Messeturm und die wehenden Flaggen. Bis zum nächsten Jahr, liebste Frankfurter Buchmesse.

Montag, 1. November 2010

Buchmesse 2010 – Schauplätze der Digitalisierung


Am Freitag musste ich durch die Hallen der Messe sprinten. Vielleicht war auch das ein Grund, wieso mir der Buchmesse-Freitag in diesem Jahr ganz besonders zuwider war. Meine Bahn hatte sich enorm verspätet, sodass mir weniger als zehn Minuten blieben, um vom Haupteingang in die Halle 4.0 zu laufen. Mit schwerem Gepäck. Zuerst kramten ich stundenlang nach meiner Dauerkarte. Andauernd beschlossen Menschen vor mir, urplötzlich stehen zu bleiben. Auf der ersten Rolltreppe brüllte mir jemand meinen Namen nach. Ich drehte mich rennend um, entdeckte K., winkte ihr zu, brüllte: »Keine Zeit! Muss los!« und sprintete weiter.

Durch Bahnverspätungen erlebt man durchaus interessante Erfahrung. Als ich in meine geheime Abkürzung einbog, zog ich mir meinen Mantel aus, ohne meine Slingshot-Tasche abzusetzen. Verschwitzt, außer Atem und am Ende meiner Kräfte landete ich schließlich mit einer Minute Verspätung am Stand D1352. Eine nette Mitarbeiterin lokalisierte für mich sogar telefonisch die Gruppe, nach der ich Ausschau hielt und die sehr pünktlich losgewandert ist. Wozu? Die Pfadfinder des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels waren unterwegs und zeigten den Besuchern ausgewählte Schauplätze der Digitalisierung. Ich gesellte mich neugierig dazu.


Erste Station: blackbetty.
Nein, diese Firma hat sich nicht vertippt, sie heißt wirklich so und nicht wie ein ähnlich klingender Handy-Hersteller. blackbetty ist nicht nur ein Mobile Marketing Dienstleister für das Small Screen Publishing (SSP), sondern eben deshalb auch ein Spezialverlag für das Publizieren von MobileBooks. Alle Formate, alle Geräte, alle Distributionen – das sind die selbsterklärten Ziele des Unternehmens. Dazu wird der Buchhandel mit Point of Sales-Terminals (POS) eingebunden, an denen der Kunde seine E-Books mit Hilfe von Bluetooth oder WLAN runterladen kann. blackbetty hat extra 16 mobile Serien in Auftrag gegeben, darunter auch bekannte Autoren wie Wolfgang Hohlbein, um so vielleicht eine ganz neue Gattung an Texten für mobile Endgeräte zu entwickeln.

Zweite Station: Arbeitskreis Elektronisches Publizieren
Dieser Halt wirkte etwas deplatziert, doch dazu mussten wir einen ziemlich langen Weg für zwei, drei, vier Sätze auf uns nehmen. Der Arbeitskreis Elektronisches Publizieren (AKEP) im Börsenverein des Deutschen Buchhandels betreut die Digitalisierungsfragen der Verlage und ist ihre Interessenvertretung. Themen wie digitale Workflows, eLearning oder eMarketing sind hier kein Problem. Gut zu wissen – und weiter ging's.


Dritte Station: BookRix
BookRix ist ein Portal, auf dem Autoren ihr Manuskript hochladen können. Aus dieser entstandenen Online-Bibliothek kann sich jeder kostenlos bedienen, lesen oder als ePub-Format runterladen. Eine Online-Community diskutiert die Werke und bewertet sie, organisiert Schreibwettbewerbe, stellt Kritiken online und gibt Buchempfehlungen ab. Seit dem Launch (01. Juni 2010) gab es über 200.000 Downloads von 40.000 Werken von 180.000 Mitgliedern. Groß. Neuerdings sind die Bücher über Print-on-Demand erhältlich, können somit gedruckt, gekauft und im Buchhandel angeboten werden. Bei diesem Projekt sind mir zwei Stichworte in den Kopf geschossen, die zwei Extreme beschreiben: intelligente Marketingstrategie dank Crowdsourcing und der Alptraum jedes Verlegers (und Lesers?) in Form von unlektorierten Manuskripten. Ich bin gespannt, ob irgendwann ein Bestseller aus dieser Masse mutieren wird.

Vierte Station: EPIDU-Verlag
Crowdsourcing als Marketing-Instrument möchte auch der EPIDU-Verlag anbieten. Ähnlich wie neobooks von der Verlagsgruppe Droemer Knaur funktioniert das Portal von EPIDU: Autoren laden ihre Manuskripte als E-Book hoch, die Community liest und bewertet alles, bis das Werk sich in einem Ranking wiederfindet. Möglichst weit oben, bitte, denn nur diese Manuskripte haben später die Möglichkeit, von echten Lektoren gelesen und bewertet zu werden. Im Idealfall entwickelt sich daraus ein Vertrag für ein richtiges Buch. Die Entwickler des Portals schwärmten von der Flexibilität des Konzepts, dass ihnen ermöglicht, besonders schnell aktuelle Trends erkennen zu können. Die Fans des hochgerankten Buches sind alle zugleich potentielle Käufer.
Eine weitere Idee des Verlags sind eBook-Cards, die eingeschweißt im Buchhandel erworben werden können. Jede Karte enthält eine eigene Buch-ID, durch die man sich das E-Book dann zumailen lassen kann. Damit man beim Kauf eines virtuellen Datenpakets etwas Reales in der Hand hat. Eine interessante Idee, wie der Buchhandel mit diesem platzsparenden Angebot in den E-Book-Markt eingebunden werden kann.


Fünfte Station: E-Reader
Da lagen viele von ihnen auf einem Tisch: Die E-Reader, die derzeit auf dem Markt sind. Es wurde Grundsätzliches geklärt (Was ist ein E-Reader und was ein Tablet-PC? Wodurch unterscheidet sich ein E-Ink-Display vom LCD?) und jeder durfte ein Gerät in die Hand nehmen. Spannend? Für mich eher nicht, da das Gespräch viel zu oberflächlich verlief. Da schlich ich mich lieber ins Café des Börsenblatts, um mir Melinda Nadj Abonjis Interview anzuhören. Später schlenderte ich am Thalia-Stand vorbei, auf dem das diesjährige Überraschungsei präsentiert wurde: Das Oyo. Da quetschte ich einen Thalia-Menschen lieber persönlich mit Fragen aus. Überzeugt hat mich die Handhabung nicht und erste Testberichte haben meinen Eindruck bestätigt. Aber 139 Euro sind ein Kampfpreis, sodass sich dieses Endgerät wohl durchsetzen wird. Hoffentlich auch der Preis.