Wie sieht das 16. Jahrhundert aus? Gibt es hier schon Kinder- und Jugendbücher? Jein, denn dafür fehlte bislang das richtige Bewusstsein der Aufklärung. Kinder waren lediglich kleine Erwachsene. Es gab zwar Kinder- und Jugendbücher (ich werde dir, lieber Leser, gleich einige vorstellen), allerdings waren sie nicht auf diese Zielgruppe abgestimmt. Es waren eben Bücher für kleine Erwachsene.
Der erste Bestseller erschien in der Sparte der religiösen Unterweisung: Der Katechismus von Martin Luther wurde als Buch in Dialogform gedruckt. Auf eine religiöse Frage gab es eine passende Antwort, einen Kommentar und ein Bild dazu. Mit wahrscheinlich über 100.000 Büchern war die Auflage dieses Buches gewaltig – vor allem, wenn man sie in Relation zur damaligen Lesefähigkeit setzt.
Rechnen und schreiben? Kein Problem im »Ein newgeordnet Rechenbüchlein« von Jakob Köbel, das 1514 in Augsburg gedruckt worden ist. In diesem Elementarwerk behandelte Köbel alle Grundrechenarten, zudem noch das Münz- und Maßwesen.
Interessant ist die Betrachtung des ersten deutschsprachigen Buches mit Illustrationen: Es heißt »Edelstein« und gehört zu den Bamberger Frühdrucken, die 1461 erschienen sind. In diesem Werk spielen der schlaue Fuchs und die hinterlistige Schlange eine Rolle, denn es geht um Fabeln. Die Illustrationen erzählten Geschichten, die alle mit einer Moral enden. Ein Beispiel? Vater und Sohn gehen mit einem Esel auf Reise. Der Sohn sitzt auf dem Tier, bis ihnen ein Wanderer entgegenkommt und schimpft, warum denn der gesunde Junge auf dem Tier sitze und nicht sein alter Vater? Sie tauschen die Rollen und der Junge führt den Esel, bis ein anderer Wanderer kommt, der ebenfalls schimpft: »Wieso sitzt der egoistische Vater auf dem Esel und lässt das arme Kind den ganzen Weg laufen?“ Da setzen sich beide auf den Esel und reiten weiter. Was kommt nun? Natürlich ein dritter Wanderer, der wieder schimpft, dass sie viel zu schwer für das arme Tier seien. Die Moral von der Geschichte? Man kann es nie jedem rechtmachen.
Ein Tisch, auf dem ein großer Kothaufen liegt, ist typisch für den Eulenspiegel. Diese Anti-Didaxe richtete sich damals gegen alles: Gegen die Zünfte und Handwerker, gegen die vorherrschende Moral und die Verlogenheit der Gelehrten. Der Name leitet sich von der Eule ab, die für die Athene steht und ein Zeichen der Weisheit ist – ebenso wie der Spiegel. Diese Weisheit wird allerdings mit einem Holzhammer vermittelt, wie er frivoler, anstößiger, ordinärer und obszöner nicht sein könnte. Verwundert es daher, dass die Bücher ohne die Nennung eines Verlags oder eines Autors erschienen sind? Dies hinderte die Forschung bislang aber nicht daran, Theorien zur Urheberschaft zu entwickeln. Als möglicher Verfasser kommt Herman Bote, ein Zollschreiber aus Braunschweig, infrage. Es ist ein norddeutscher Text, der wegen den Typen allerdings in Straßburg gedruckt worden ist. Die Anfangsbuchstaben jedes Kapitels bilden den Namen des potentiellen Verfassers. Die erste nachweisbare Ausgabe erschien 1515 bei Grüniner, allerdings wird vermutete, dass der Eulenspiegel dort bereits 1510/11 gedruckt worden ist. Es ist ungewöhnlich, dass der Verlag und der Autor zur damaligen Zeit so weit voneinander entfernt lagen. Nun aber zum Eulenspiegel selbst: Das Buch beinhaltet 96 Geschichten und beginnt bei der Taufe und endet mit der Beerdigung von Eulenspiegel. Den Holzhammer packte der Verfasser in allen Geschichten aus. Einmal verteilte Eulenspiegel das Beste, was er jemals hervorgebracht hat: seinen eigenen Kot als Kügelchen, die er als Wundermittel verkaufte. Ein anderes Mal formte er Eulen und Meerkatzen statt den allgemein akzeptierten und anerkannten Bretzeln in der Backstube. Eulenspiegel vermittelte eine harsche Art der Erziehung, weshalb auch fraglich ist, ob er schon damals für die Kindererziehung geeignet war oder gar verwendet worden ist.
Wie ging es mit den Vorläufern der Kinder- und Jugendbüchern weiter? Die Volksbücher bedienten ein weiteres Feld. Die »Melusine« (Basel, 1475) behandelte das Märchen einer Meerjungfrau und wurde in den Volkssprachen Deutsch, Französisch und Italienisch verbreitet. In »Fortunatus« (1509, Augsburg) suchte ein Kaufmann nach seinem Glück und fand es durch sein geschicktes Handeln und Wissen. Das Buch von Johann Otmar ist mit Holzschnitten von Jörg Breu d. Ä. illustriert und erschien nachweisbar in mindestens 16 deutschen Auflagen. Somit war »Fortunatus« für mindestens drei Jahrzehnte ein Besteller.
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