Freitag, 19. November 2010

Das Kinder- und Jugendbuch – Die Realienpädagogik des 17. Jahrhunderts

Anfang des 17. Jahrhunderts beginnt für das Kinder- und Jugendbuch die entscheidende Phase mit einem Umbruch im Denken der Gesellschaft: Es entwickeln sich Verlage, die speziell für Kinder und Jugendliche publizieren und auch Autoren, die für diese Zielgruppe schreiben. Doch wo beginnt diese Entwicklung?

Vielleicht bei Johann Amos Comenius. Der Philosoph, Theologe und Pädagoge lebte von 1592 bis 1670 und beklagte sich über die Schulpädagogik. In den Büchern würden nur Wörter stehen, keine veranschaulichende Beispiele. Es wären nur komplexe, abstrakte Sachverhalte, keine Dinge. Keine Realien. Aber gerade die könnten das Lernen und das Verstehen erleichtern. Die Realienpädagogik des 17. Jahrhunderts war somit geboren. Comenius forderte im Wesentlichen drei Dinge: das Erkennen der Dinge, der Zusammenhänge und der Welt. Es entstanden Realienkabinette, die beim Begreifen und Verstehen helfen sollten. In der Welt der Bücher arbeiteten die Verleger zur Veranschaulichung mit Holz-, später mit Kupferstichen. Eine weitere Erneuerung war der Unterricht in der Muttersprache. Die Schulbücher waren jetzt auf Deutsch verfasst und nicht mehr auf Latein.

Das erste bewusste Kinderbuch war das »Orbis sensualium pictus« (Nürnberg, 1658). Es beschrieb das Wandern durch die Welt mit Hilfe von 200 Tafeln. Der Titel führt ein wenig in die Irre, denn das Buch ist zweisprachig geschrieben und hat sowohl eine »Invitatio« als auch eine »Einleitung«.

Telemann Olearius verfasste die »Deutsche Sprachkunst« (1630), in der Bilder zur Orientierung dienten und die Fantasie anregten. Das »A« wurde den Kindern als Aal vermitteln (ein Regenwurm mit dem Kopf einer Gans), der sich so ringelte, dass die Figur dem Buchstaben ähnelte. Das »O« war als Ohr abgebildet und das »V« logischerweise als geöffnete (Taschen-) Uhr – schließlich arbeitete Telemann Olearius noch mit dem lateinischen Alphabet.

Die Realienpädagogik des 17. Jahrhunderts veränderte den Markt des Kinder- und Jugendbuchs. Die wesentlichen Veränderungen spiegelten sich im Bedeutungsverlust des Lateinunterrichts wider. Stattdessen wurden Geschichte, Erdkunde und Naturkunde in der Schule bevorzugt. Die Adaption von Wissen war auf die kindliche Auffassungsgabe angepasst und Bilder kamen zum Einsatz. Können diese Entwicklungen noch übertroffen werden? Natürlich – und zwar in der Zeit der Aufklärung.

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