Montag, 1. November 2010

Buchmesse 2010 – Schauplätze der Digitalisierung


Am Freitag musste ich durch die Hallen der Messe sprinten. Vielleicht war auch das ein Grund, wieso mir der Buchmesse-Freitag in diesem Jahr ganz besonders zuwider war. Meine Bahn hatte sich enorm verspätet, sodass mir weniger als zehn Minuten blieben, um vom Haupteingang in die Halle 4.0 zu laufen. Mit schwerem Gepäck. Zuerst kramten ich stundenlang nach meiner Dauerkarte. Andauernd beschlossen Menschen vor mir, urplötzlich stehen zu bleiben. Auf der ersten Rolltreppe brüllte mir jemand meinen Namen nach. Ich drehte mich rennend um, entdeckte K., winkte ihr zu, brüllte: »Keine Zeit! Muss los!« und sprintete weiter.

Durch Bahnverspätungen erlebt man durchaus interessante Erfahrung. Als ich in meine geheime Abkürzung einbog, zog ich mir meinen Mantel aus, ohne meine Slingshot-Tasche abzusetzen. Verschwitzt, außer Atem und am Ende meiner Kräfte landete ich schließlich mit einer Minute Verspätung am Stand D1352. Eine nette Mitarbeiterin lokalisierte für mich sogar telefonisch die Gruppe, nach der ich Ausschau hielt und die sehr pünktlich losgewandert ist. Wozu? Die Pfadfinder des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels waren unterwegs und zeigten den Besuchern ausgewählte Schauplätze der Digitalisierung. Ich gesellte mich neugierig dazu.


Erste Station: blackbetty.
Nein, diese Firma hat sich nicht vertippt, sie heißt wirklich so und nicht wie ein ähnlich klingender Handy-Hersteller. blackbetty ist nicht nur ein Mobile Marketing Dienstleister für das Small Screen Publishing (SSP), sondern eben deshalb auch ein Spezialverlag für das Publizieren von MobileBooks. Alle Formate, alle Geräte, alle Distributionen – das sind die selbsterklärten Ziele des Unternehmens. Dazu wird der Buchhandel mit Point of Sales-Terminals (POS) eingebunden, an denen der Kunde seine E-Books mit Hilfe von Bluetooth oder WLAN runterladen kann. blackbetty hat extra 16 mobile Serien in Auftrag gegeben, darunter auch bekannte Autoren wie Wolfgang Hohlbein, um so vielleicht eine ganz neue Gattung an Texten für mobile Endgeräte zu entwickeln.

Zweite Station: Arbeitskreis Elektronisches Publizieren
Dieser Halt wirkte etwas deplatziert, doch dazu mussten wir einen ziemlich langen Weg für zwei, drei, vier Sätze auf uns nehmen. Der Arbeitskreis Elektronisches Publizieren (AKEP) im Börsenverein des Deutschen Buchhandels betreut die Digitalisierungsfragen der Verlage und ist ihre Interessenvertretung. Themen wie digitale Workflows, eLearning oder eMarketing sind hier kein Problem. Gut zu wissen – und weiter ging's.


Dritte Station: BookRix
BookRix ist ein Portal, auf dem Autoren ihr Manuskript hochladen können. Aus dieser entstandenen Online-Bibliothek kann sich jeder kostenlos bedienen, lesen oder als ePub-Format runterladen. Eine Online-Community diskutiert die Werke und bewertet sie, organisiert Schreibwettbewerbe, stellt Kritiken online und gibt Buchempfehlungen ab. Seit dem Launch (01. Juni 2010) gab es über 200.000 Downloads von 40.000 Werken von 180.000 Mitgliedern. Groß. Neuerdings sind die Bücher über Print-on-Demand erhältlich, können somit gedruckt, gekauft und im Buchhandel angeboten werden. Bei diesem Projekt sind mir zwei Stichworte in den Kopf geschossen, die zwei Extreme beschreiben: intelligente Marketingstrategie dank Crowdsourcing und der Alptraum jedes Verlegers (und Lesers?) in Form von unlektorierten Manuskripten. Ich bin gespannt, ob irgendwann ein Bestseller aus dieser Masse mutieren wird.

Vierte Station: EPIDU-Verlag
Crowdsourcing als Marketing-Instrument möchte auch der EPIDU-Verlag anbieten. Ähnlich wie neobooks von der Verlagsgruppe Droemer Knaur funktioniert das Portal von EPIDU: Autoren laden ihre Manuskripte als E-Book hoch, die Community liest und bewertet alles, bis das Werk sich in einem Ranking wiederfindet. Möglichst weit oben, bitte, denn nur diese Manuskripte haben später die Möglichkeit, von echten Lektoren gelesen und bewertet zu werden. Im Idealfall entwickelt sich daraus ein Vertrag für ein richtiges Buch. Die Entwickler des Portals schwärmten von der Flexibilität des Konzepts, dass ihnen ermöglicht, besonders schnell aktuelle Trends erkennen zu können. Die Fans des hochgerankten Buches sind alle zugleich potentielle Käufer.
Eine weitere Idee des Verlags sind eBook-Cards, die eingeschweißt im Buchhandel erworben werden können. Jede Karte enthält eine eigene Buch-ID, durch die man sich das E-Book dann zumailen lassen kann. Damit man beim Kauf eines virtuellen Datenpakets etwas Reales in der Hand hat. Eine interessante Idee, wie der Buchhandel mit diesem platzsparenden Angebot in den E-Book-Markt eingebunden werden kann.


Fünfte Station: E-Reader
Da lagen viele von ihnen auf einem Tisch: Die E-Reader, die derzeit auf dem Markt sind. Es wurde Grundsätzliches geklärt (Was ist ein E-Reader und was ein Tablet-PC? Wodurch unterscheidet sich ein E-Ink-Display vom LCD?) und jeder durfte ein Gerät in die Hand nehmen. Spannend? Für mich eher nicht, da das Gespräch viel zu oberflächlich verlief. Da schlich ich mich lieber ins Café des Börsenblatts, um mir Melinda Nadj Abonjis Interview anzuhören. Später schlenderte ich am Thalia-Stand vorbei, auf dem das diesjährige Überraschungsei präsentiert wurde: Das Oyo. Da quetschte ich einen Thalia-Menschen lieber persönlich mit Fragen aus. Überzeugt hat mich die Handhabung nicht und erste Testberichte haben meinen Eindruck bestätigt. Aber 139 Euro sind ein Kampfpreis, sodass sich dieses Endgerät wohl durchsetzen wird. Hoffentlich auch der Preis.

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