Letztens habe ich zwei bekannte Buchhändler besucht. Nachdem ich im Laden gestöbert und nett mit ihnen geplaudert habe, klagte ich ihnen mein Leid.
»Ihr habt es so gut. In eurem Laden sind alle Bücher fertig, sehen schön aus und haben meistens auch ein tolles Innenleben. Aber im Verlag bekommt man die tollsten Sachen auf den Tisch gestellt: Unverlangt eingesandte Manuskripte. Es gibt wenig Zeug, das schlimmer oder erschreckender ist. Besonders schlimm sind Männer im mittleren Alter, die ihre Urlaubsreisen in ihren Romanen verarbeiten. Oder kleine Beamtinnen, die immer mit ungeheuer blutrünstigen Krimis ankommen. Schlechte Lyrik? Psychopathische Figuren mit Über-Mutter? Langweilige Biografien? Flache Handlungen? Klischee-Charaktere? Unter 100 Manuskripten kann man vielleicht eins oder gar zwei zur genauen Prüfung anfordern. Der Alltag im Verlag kann grausam sein.«
Da schüttelte Frau M. entschieden ihren Kopf. »Hast du eine Ahnung. Du bekommst das Zeug per Post. Wir haben die Leute gleich persönlich am Hals, die uns ihre Romane zum Verkauf andrehen wollen. Wohlgemerkt die, die im Selbstverlag erschienen sind. Bis du die abgewimmelt hast ...!«
Natürlich ist ihre Situation schlimmer. Menschen, die einem etwas andrehen wollen, sind fast immer schlimm. Aber auch aus einem anderen Grund ist meine Arbeit dann doch wesentlich besser, denn immerhin habe ich noch jedes Mal die Hoffnung, etwas Neues, Großartiges, Unglaubliches zu entdecken. Immer, wenn ich einen der großen, dicken Umschläge öffne, die ordentlich ausgedruckten Seiten in die Hände nehme, das Anschreiben, das Exposé und den Textauszug lese, hoffe ich, irgendwann einmal den nächsten Bestseller in den Händen zu halten. Ganz in Ruhe, ohne ein Verkaufsgespräch.
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