Dienstag, 15. März 2011

Dreizehnte Folge: Literarische Verarbeitungen des Ersten Weltkriegs in der Zeit des Nationalsozialismus

Nach dem Ersten Weltkrieg folgt nun das zweite düstere Kapitel in der Geschichte des Kinder- und Jugendbuchs – ihre Zeit im Nationalsozialismus. Ab 1914 hat sich in der Verlagslandschaft etwas entwickelt, was es zuvor in der Form noch nicht gegeben hat. In den Kinder- und Jugendbüchern verbreiteten sich zusehends Kriegspropaganda, und die eigene Geschichte wurde ausgesprochen positiv dargestellt. Ihre Hochblüte erlebten diese Bücher zwischen 1914 bis 1916, bis der hässliche Stellungskrieg begann.

Wie entwickelte sich die Literatur für Kinder und Jugendliche während des Nationalsozialismus? Setzte sie genauso schlagartig ein? Begann sie mit der »Machtergreifung« 1933?

Um die Entwicklungen der Literatur zu verstehen, muss zunächst die Historie betrachtet werden. Die NSDAP wurde bereits 1922 gegründet. 1931 gab es den ersten NSDAP-Minister in Thüringen. Der Nationalsozialismus setzte nicht schlagartig ein und veränderte die ganze Gesellschaft, sondern entwickelte sich langsam. Deshalb habe ich das Schlagwort »Machtergreifung« in Anführungszeichen gesetzt. Als Propagandasprache des Dritten Reiches steht es bis heute so in den Geschichtsbüchern, obwohl Adolf Hitler keinesfalls gewaltsam »die Macht ergriff«, sondern durch eine demokratische und somit legitime Wahl bestätigt wurde. Die »Machtergreifung« ist kein historischer Fachbegriff und verschleiert auch die langwierige Entwicklung nationalsozialistischen Gedankenguts. Ihre Hochblüte erlebte die völkische Literatur bereits in den 20er Jahren. In den 30er Jahren wurde sie staatlich unterstützt. Natürlich gab es nach dem Ersten Weltkrieg Antikriegsliteratur (»Im Westen nichts Neues« von Erich Maria Remarque ist das bekannteste und wichtigste Beispiel), aber genauso gut wurden auch Kriegsbücher publiziert.

In der Regel dauert es zehn Jahre, bis Schriftsteller mit der Verarbeitung eines historischen Ereignisses oder einer Katastrophe beginnen. So setzte die literarische Verarbeitung des Ersten Weltkriegs auch verspätet ein (genauso wie der Zweite Weltkrieg erst Mitte der fünfziger Jahre erste Publikationen nach sich zog). Diese Verschiebungen machen den Buchmarkt interessant. Der Verleger Samuel Fischer lehnte »Im Westen nichts Neues« ab. Für ihn kam die Verarbeitung des Kriegs zu früh. Auf negative Verarbeitungen folgten positive Darstellungen – ganz im Sinne der Nationalsozialisten.

Das bekannteste Buch der Zeit, Hitlers »Mein Kampf«, war vielleicht am verbreitetsten, wurde allerdings kaum gelesen. Die Verbreitung erfolgte vor allem dadurch, dass die Bücher aktiv verteilt wurden (beispielsweise als »Geschenk« nach einer Hochzeit im Standesamt). 

Wie sahen aber nun die ersten völkischen Bücher aus, die hohe Auflagen erreichten und auch gelesen wurden? Als Gegenstück zu Remarques Roman kann das Buch »Sperrfeuer um Deutschland« von Werner Beumelburg angesehen werden. Er forderte eine Rache für Verdun, rief dazu auf, das Sperrfeuer zu überwinden und sprach von Erbfeinden. Sein Buch wurde als Jugendbuch empfohlen und erreichte eine Gesamtauflage von 160.000 Exemplaren. Das Buch »Gruppe Bosemüller – Roman des Frontsoldaten« stammt ebenfalls von Beumelberg und verarbeitet den Ersten Weltkrieg. Der Roman beschreibt einen 17-Jährigen, der heldenhaft in Verdun kämpft und umkommt. Der Heroismus ist aus heutiger Sicht unerträglich: Die einzig wahre Freundschaft erlebt der Soldat in der »Frontkameradschaft« und »erst im Krieg reift der Jüngling zum Mann«. In einer Anzeige im Branchenmagazin Börsenblatt warb der Verlag für das Jugendbuch. Es sei ein »neuer Roman mit Knabenopfer« – die höchste Form der Erfüllung.

Nach der Verarbeitung des Ersten Weltkriegs wurden die ersten Bücher publiziert, die gegen einzelne Volksgruppen hetzten und die Leser in eine Rolle drängten, die der Propaganda des Dritten Reiches entsprach. Dazu mehr in der nächsten Folge.

1 Kommentar:

  1. Das die Hauptfigur in "Gruppe Bosemüller", ein 17jähriger Kriegsfreiwilliger, während des Krieges umkommt, stimmt nicht ganz. Er wird zwar relativ stark verwundet, stirbt jedoch nicht.

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