Dienstag, 5. April 2011

Bücher kaufen – Frust oder Lust?

Im bibliophilen Slang haben sich in den letzten Jahren einige neue Begriffe gebildet. Es gibt nicht mehr nur Leser und Bücher und Lesezeichen, sondern auch Abkürzungen wie SuB, RuB, ZuB oder sogar HuB. Das uB steht dabei jedes Mal für »ungelesene Bücher« und der erste Buchstabe für Stapel, Regal, Zimmer oder Haus. Aus diesen Begriffen lassen sich die jeweiligen Größenverhältnisse ablesen, wie groß so ein Haufen ungelesener Bücher werden kann. Manche Menschen kaufen sich eins, nachdem sie ihr letztes Buch zu Ende gelesen haben. Andere hingegen verzweifeln an mehreren hundert Exemplaren. Ein Youtube-Video der lieben TheBookLook spricht diese Thematik kritisch an. Sie motiviert, sein eigenes Kaufverhalten zu überdenken. Warum kaufen wir überhaupt so viele Bücher? Mehr vielleicht, als wir vielleicht jemals lesen werden können?

In dem Video erzählt sie von ihrem eigenen SuB, der wieder bei zehn Büchern liegt. Als möglichen Grund für ihr Kaufverhalten gibt sie ein Kindheitstrauma an, als sie gerne und viel gelesen hat und ihr dann der Lesestoff ausging. Rezensionsexemplare und günstige Bücher-Shoppingtouren sorgten für den Anstieg ihres ungelesenen Bücherstapels. Was gibt es aber eigentlich für Impulse, die einen Menschen zu einem Buchkäufer werden lassen?



Die TNS Emnid Medienforschung hat in der Studie »Leseverhalten der Deutschen« vor allem drei Dinge untersucht: Wo informieren sich die Befragten vor einem Buchkauf, wo erhalten sie Kaufimpulse und in welchem Bereich wünschen sich die Kunden noch mehr Informationen. Die Studie wurde im Jahr 2006 durchgeführt und befragte 1331 Teilnehmer ab 14 Jahren. Das Ergebnis sagte klar aus, dass der Buchhandel der wichtigste Impulsgeber ist. Hier bekommen Kunden alle gewünschten Informationen, können sich beraten lassen und bekommen einen Überblick über das aktuelle Angebot. Zudem sind persönliche Informationen, Prospekte und Zeitschriften wichtige Impulsgeber.
Leider ist die Studie inzwischen schon fünf Jahre alt, und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das Internet inzwischen ein wenig mehr an Einfluss gewonnen hat. Viele Verlage nutzen aktiv die Möglichkeit, um auf verschieden Kanälen potentielle Kunden mit Informationen zu versorgen. Durch Facebook, Twitter, Youtube, eine Website mit RSS-Feeds, Newsletter, Foren und Weblogs kommen wichtige Kaufimpulse zum Kunden. Aber auch Lese- und Buchcommunities (z.B. lovelybooks), Buchrezensionen auf Online-Verkaufsplattformen und deren Bestenlisten und Besprechungen auf Youtube und Weblogs von Lesern liefern heute Verkaufsimpulse. Vielleicht hat sich dadurch das Defizit verbessert, das viele Befragte der Studie angegeben haben: Sie haben sich mehr Informationen über Literatur gewünscht.
Eine AGOF-Studie aus dem Jahr 2009 bestätigt den Trend zum Internet. 39,6 Prozent der Befragten Online-Nutzer haben in den vergangenen zwölf Monaten Bücher über das Internet gekauft, und 58,2 Prozent haben im Internet Informationen über Bücher gesucht. Die Conversion-Rate (also das Verhältnis, ob nach der Suche nach Informationen auch ein Kauf folgte) lag bei 66,5 Prozent.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat die Langzeitstudie »Buchkäufer und Leser – Profile, Motive, Wünsche« bei der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Zusammenarbeit mit Sinus Sociovision in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse der ersten Studie wurden 2005, die der Folgestudie im Jahr 2008 vorgestellt. Im Mittelpunkt steht die Fragestellung, wie sich das Lese- und Kaufverhalten verändern wird – besonders in Hinblick auf die Veränderungen durch das E-Book. Die Befragten wurden in verschiedene Buchtypen unterteilt, die in verschiedenen Sinus-Milieus gegliedert sind. Mit Hilfe dieser Milieus konnte die Lebensauffassung und die Lebensweise ermittelt und den verschiedenen Buchtypen zugeordnet werden, um aus diesen Ergebnissen Kernzielgruppen für den Buchmarkt herauszuarbeiten. So kann nachgewiesen werden, ob, warum und wie viel die Bürgerliche Mitte im Gegensatz zu den Konsum-Materialisten oder den DDR-Nostalgischen für Bücher ausgibt.
In dieser Studie gibt es verlässliche Zahlen zum Buchkauf. Zu den Wenigkäufern (38 Prozent) gehören Kunden, die 1-7 Bücher im Jahr erwerben, Durchschnittskäufer (10 Prozent) erwerben elf Bücher und Vielkäufer (9 Prozent) holen sich jährlich mehr als 14 Bücher. 45 Prozent der Deutschen sind Nichtkäufer.
Ein Buchkäufer muss noch lange kein Leser sein und ein Leser muss nicht unbedingt Bücher kaufen. Deshalb ermittelte die Studie auch die Lesertypen, die es in Deutschland gibt. Wenigleser (43 Prozent) verschlingen bis zu neun Bücher im Jahr, Durchschnittsleser (23 Prozent) sind mit 9 bis 18 Büchern dabei und Vielleser (25 Prozent) lesen mehr als 18 Bücher jährlich.
Anhand der Leser- und Käufertypen konnten acht Buchtypen ermittelt werden:
Buchresistente (7 Prozent) lesen und kaufen keine Bücher, Gelegenheitsleser (33 Prozent) lesen Bücher, kaufen aber keine, Ausleihende Leseratten (24 Prozent) lesen mehr Bücher als sie kaufen und Wenignutzer (18 Prozent) kaufen und lesen nur wenig. Der Durchschnittsnutzer (3 Prozent) hat eine gehobene Bildung, die kauffreudigen Leseratten (5 Prozent) lesen und kaufen viel. Regalsteller (7 Prozent) kaufen mehr Bücher als sie lesen und buchkaufende Nichtleser (3 Prozent) haben meistens eine niedrige Bildung.

Wie sieht es mit meinem Verhalten aus? Nach der Buchkäufer- und Leserstudie würde ich zu den Vielkäufern und Viellesern gehören und wäre demnach eine kauffreudige Leseratte. Bei den Milieus bin ich unschlüssig, da ich mich in keiner Gruppe wirklich wiederfinde. Ich besitze schätzungsweise 800 Bücher, von denen ich mindestens die Hälfte schon gelesen habe. Demnach hätte ich einen SuB – pardon! ZuB! – von etwa 400 Büchern und kaufe weiterhin aktiv und lese auch aktiv weiter. Ich informiere mich im Buchhandel, im Internet und in Fachzeitschriften über aktuelle Schmöker und kaufe auch im Buchhandel und im Internet ein. 

Mein Kaufverhalten beobachte ich kritisch, aber ich empfinde es als nicht schlimm. Ich muss nicht jede Buchhandlung mit einer Tüte voller Bücher verlassen, auf Messen habe ich noch nie den Messerabatt ausgenutzt und nicht jedes Stöbern im Netz endet zwangsläufig mit einem Produkt im Warenkorb.

Ich kaufe aus den verschiedensten Gründen Bücher ein: Ich mag den Autor, liebe die Serie, aus bibliophilen Interesse, wegen eines wichtigen Literaturpreises, aus Neugier, wegen des Genres, dem Thema, wegen der Uni, um meine Sprachkenntnisse zu verbessern oder weil mir eins empfohlen worden ist. Ich kaufe Bücher, ich verschenke sie und bekomme oft zu besonderen Anlässen welche geschenkt. 

Ich fühle mich wohl dabei, so wie es derzeit ist und empfinde mich nicht als süchtig. Klar sagt das auch der Alkoholiker oder Drogenabhängige zu seiner Flasche oder seinem Stoff: Süchtig? Bin ich nicht. Allerdings gibt es klare Grenzen, die ich zwischen einem normalen Konsumverhalten und einer Sucht ziehe. Kritisch wäre es meiner Meinung nach vor allem dann, wenn ein Buchkäufer Schulden auf sich nehmen muss, um Bücher zu kaufen. Oder manche Neuerscheinungen sofort haben muss, egal mit welchen negativen Konsequenzen (zuwenig Geld, fehlende Zeit, weil eigentlich andere wichtige Sachen [z.B. Schule, Klausuren, Sozialleben] Vorrang hätten).

All dies trifft auf mich nicht zu und ein zu großer SuB ärgert, ängstigt oder überfordert mich auf keinen Fall, ein Platzproblem wegen eines noch fehlenden Lesezimmers dann schon eher (Ärgerlich!). Außerdem ist meine Sammlung nicht von gestern auf heute entstanden, sondern hat sich seit mehr als einem Jahrzehnt angesammelt. Allein durch mein Lesepensum für die Universität muss ich pro Jahr zwischen 30 bis 40 Bücher kaufen und lesen. Sucht? Nein, eher ein notwendiges Übel. Und wegen den Seminaren mache ich auch gerne zwei bis dreimal im Jahr Hamsterkäufe: Dann fahre ich nach Darmstadt – meinem Buchkauf-Mekka – und versorge mich bei einem Oxfam-Buchshop und einem Jokers günstig mit potentieller, eventuell vergriffener Literatur (nach all den Jahren kenne ich den Kanon meines Instituts). Es ist nicht ungewöhnlich, wenn ich mehr als zehn Bücher auf einmal mitnehme und sehr oft habe ich die gefundenen Schätze nach einigen Semestern wirklich gebraucht. Sehr praktisch. Süchtig? Wohl eher ebenfalls ein notwendiges Übel.
Sammle und behalte ich unkontrolliert, so wie manche Leute Tiere horten (Animal Hoarding)? Meine Sammlung ist sehr persönlich und ausgewählt. Vor zwei Jahren habe ich aussortiert und wirklich das behalten, was wichtig und lesenswert ist. Bücher, die mir nicht gefallen haben, sammle ich, um sie dann erneut irgendwann als großes Paket loszuwerden. Ich nutze sie nicht als Ersatz für soziale Kontakte und Liebe und das Platzproblem resultiert lediglich daher, dass ich noch mein Jugendzimmer nutze, was sich hoffentlich ziemlich bald ändern wird.

Manches Buch braucht Zeit und ein richtiges Alter, um gelesen zu werden. Und dann habe ich die Gewissheit, das es in meinem Regal auf mich wartet. Wie sieht es bei dir aus, lieber Leser?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen