Wortschatz, mein langjähriger Gefährte, ist sehr penibel, wenn es um Elektronik geht. Ein neuer MP3-Player? Kein Problem, allerdings müssen vorher ein halbes Jahr lang mindestens Testberichte gelesen, Meinungen eingeholt und Preisentwicklungen beobachtet werden. Dasselbe beim neuen Laptop, und spätestens bei der Kamera schmunzelte unser Familienkreis.
Als ich ihm von meinen diesjährigen Arbeitszeiten auf der Frankfurter Buchmesse berichtete, beäugte er mich schon mit einem fragenden Gesichtsausdruck: „Gibt’s da auch E-Reader?“ Ich wusste, dass er schon länger auf der Suche nach dem passenden Lesegerät war, denn den Kindle habe ich ihm vor einigen Wochen ausgeredet. Und so ging er mit einem USB-Stick bewaffnet am Mittwoch nach Frankfurt und schaute sich drei aktuelle Lesegeräte von PocketBook, Sony und iRiver an. Seine Meinung möchte ich hier zusammen mit meinen eigenen Eindrücken wiedergeben.
Zwar hätte ich diesen Bericht gerne ausgeweitet, beispielsweise mit den neuen Geräten von ASUS oder Onyx, aber die hatten auf der Messe nichts ausgestellt. Einen Stand von Amazon mit dem Kindle oder den von Acer hat Wortschatz nicht gefunden, denn eine zentrale Anlaufstelle für E-Reader fehlte. Ebenfalls ungünstig war, dass beispielsweise Sonys E-Reader nur vom Barsortimenter Libri und iRiver bei KNV ausgestellt war. Auf seine Fragen konnten die Mitarbeiter an den Ständen überhaupt nicht eingehen, teilweise fehlten die einfachsten Grundlagen. Bei der Frage, ob er seine Testdateien mal auf den Reader von Sony
und iRiver laden dürfe, kamen Fragen wie: »Und wie? Nein, geht nicht.« Auch hier wäre ein eigener Stand von Sony und iRiver sehr von Vorteil gewesen, denn beim eigenen Stand des Herstellers Pocketbook löcherte er die geschulten Mitarbeiter fast eine Stunde lang mit Fragen (keine Übertreibung!). Es ist eigentlich nicht zu glauben, dass die Hersteller von E-Readern nicht schon längst einen festen, gemeinsamen Platz auf der Frankfurter Buchmesse haben – wer den Präsentierteller Messe nicht nutzt, muss sich nicht wundern, wenn die potentielle Zielgruppe noch verhalten auf die neuen Geräte reagiert. Doch nun zunächst, der Bericht vom Pocketbook Pro 912.
Erster Eindruck
Wortschatz verbrachte fast eine Stunde am Stand des Herstellers. Die Mitarbeiter waren sehr aktiv und engagiert und suchten den Kontakt zum Kunden. Sie hatten das PocketBook Pro 612 und das PocketBook Pro 912 am Stand, wobei Wortschatz nur ein Auge auf den 912er geworfen hat, dieser soll vor allem zum Lesen von Fachbüchern und Vorlesungsskripte und -folien benutzt werden, weshalb die 6-Zöller aufgrund der viel zu kleinen Displays nicht in Frage kamen. Beide Geräte von Pocketbook sind praktisch baugleich und unterscheiden sich nur durch die Displaygröße; das eine hat ein sechs und der andere ein 9,7 Zoll großes E-Ink-Display. Das PocketBook hat einen Metallrücken, wodurch der Reader sehr stabil wirkt. Er war ganz gut verarbeitet – nichts hat geklappert oder geknirscht. Ganz empfindliche Produkttester würden vielleicht die Lautstärketasten an der Seite und den Stylus samt seinem Einschub kritisieren, die nicht so gut wie die restlichen Knöpfe verarbeitet sind, wobei Wortschatz nicht nachgefragt habt, ob es sich auf der Messe schon um die endgültige Version handelte. Eine dicke Neoprenschutzhülle wird bei der Bestellung mitgeliefert.
Bedienung
Die verwendete Displaytechnologie E-Ink Vizplex, das über eine induktives Touchdisplay verfügt, ermöglicht es, den E-Reader mit einem Stylus oder komplett mit Tasten zu bedienen. So lassen sich bequem Notizen in ein Dokument einfügen, die minimal verzögert, aber ohne Probleme verarbeitet werden. Beim Anlegen einer Notiz wird ein »Screenshot« vom aktuellen Bildschirminhalt gemacht, sodass die Seite bearbeitbar wird. Die Notizen werden als Lesezeichen angelegt und als Bilddatei abgespeichert (der Verkäufer war sich nicht mehr sicher, ob als jpg oder gif) und können später bei Bedarf ausgedruckt werden. Beim Blättern war das PocketBook Pro 912 »einen Tick« langsamer als die Geräte von Sony und iRiver – allerdings hatten es die Daten, die er per USB auf eines der Geräte laden durfte, auch in sich: Eine 100 Seiten lange Diplomarbeit als PDF, die aus Latex exportiert wurde, und eine 30 MB große Powerpoint-Präsentation mit 120 Folien (inklusive Grafiken und Excel-Tabellen). Normale PDF und Epub-Dateien dürften nicht wesentlich langsamer gelesen werden als auf den anderen Geräten. Die Diplomarbeit wurde richtig flott geladen und auf der Powerpoint-Präsentation (ebenfalls als PDF umgewandelt) konnte er sich Notizen machen – sehr praktisch beispielsweise für die Nutzung im Studium. Der PocketBook kämpfte etwas mit der Powerpoint-Präsentation, wobei die Datei mit Abstand die »gruseligste PDF-Datei« war, die er im Laufe seines Studiums bekommen hat und den Fehler eher Powerpoint zuschreiben würde.
Besonderheiten
Generell fand Wortschatz die Stufen, mit denen in ein Dokument hinein- und wieder hinausgezoomt werden konnte, sehr fein abgestimmt – wesentlicher feiner als beispielsweise beim Kindle. Dadurch kann der Zoomgrad beim Lesen von PDFs sehr genau eingestellt werden.
Eine Besonderheit ist die Reflow-Funktion, mit der PDFs on the fly umgewandelt werden, sodass die Schriftgröße (wie aus Epubs bekannt) verändert werden kann. Bei schlecht erstellten PDF-Dateien können hier allerdings die Bilder verrutschen. Bei der von ihm getesteten Diplomarbeit (mittels Latex erstellt) waren die Bilder jedoch alle am vorgesehenen Platz.
Und zum Schluss plaudere ich ein wenig aus dem Nähkästchen: PocketBook ist gerade dabei, einen E-Book-Reader mit farbiges E-Ink-Display zu entwickeln, als Verkaufsstart ist bislang der Sommer 2012 angepeilt. Die Bestrebungen in diesem Bereich sind nicht neu, aber durch die E-Ink-Technik ist es schwer, dies auch umzusetzen, ohne allzu viel Kontrast und Fingerpräzision zu verlieren. PocketBook hat noch kein vorzeigbares Modell (Geschwindigkeit muss noch verbessert werden). Als Startpreis wird der vom aktuellen Top-Modell angestrebt. Ich bin gespannt und voller Hoffnung, dass einem Hersteller auf diesem Gebiet endlich der technische Durchbruch gelingt.
Display
Das Display ist nicht so weiß wie das Pearl-Ink-Display von Amazons Kindle oder Sonys neuem Reader, aber auch nicht gelb wie Recyclingpapier (»Es störte mich überhaupt nicht.«), eben etwas gräulich. Ein großer Nachteil, der aber auf alle auf dem Markt befindlichen Reader zutrifft, ist allerdings, dass es sich um Glasdisplays handelt, welche empfindlich auf Stöße reagiert. Im Netz hat er schon von einigen Problemfällen gehört. Und wenn Du die gesprungenen Displays der hässlichen Apfelhandys schon einmal gesehen hast, kann man sich gut vorstellen, wie das bei einem E-Reader so aussehen könnte.
Das PocketBook Pro 912 arbeitet mit einem induktiven Touchdisplay und kann deshalb mit einem Stylus bedient werden. Sony beispielsweise hingegen arbeitet mit einem Infrarotsensor, der im Rahmen sitzt und die Bewegung der Finger erfasst. Der Vorteil beider Methode ist, dass keine weitere Schicht auf dem Display für die Touchfunktionalität benötigt wird, die oft den Kontrast verschlechtert und zu verstärkten Reflexionen führt. Aber zurück zum PocketBook Pro 912: Ein Lagesensor im E-Reader dreht das Bild je nach Lage des Displays in die richtige Richtung, wobei er die Arbeit bei der furchtbaren Powerpoint-Präsentation verweigerte.
Anschlüsse
Es gibt einen Slot für Mikro-SD-Karten (den der Kindle beispielsweise nicht hat), WLAN, Blutooth und optional G3. Außerdem gibt es regelmäßig Software-Updates.
Weitere Informationen gibt es unter der Herstellerwebsite.
Kannst du mir sagen, weshalb du deinem Liebsten vom Kindle abgeraten hast? Ich habe mir das Ding zu Weihnachten gewünscht, daher frage ich.
AntwortenLöschenAch, da kann ich dir viele Gründe nennen - im ersten und besten Sinne sind es moralische, aber auch ein paar technische Problemstellen.
AntwortenLöschen1. Mit dem E-Reader kannst du deine E-Books nur und ausschließlich bei Amazon bestellen. Andere Buchanbieter werden kategorisch ausgeschlossen. Was ist aber, wenn ich in ein paar Jahren in einer Buchhandlung stöbere, ein Buch finde, was mit gefällt und es dort Vorort downloaden möchte mit meinem Gerät? (Zukunftsmusik, aber wer weiß, wie schnell die Entwicklung voranschreitet - entsprechende Kaufstationen für den stationären Buchhandel habe ich letztes Jahr schon auf der Messe gesehen). Ich möchte mich nicht-niemals-nie auf einen einzigen Anbieter festlegen, sondern die Wahl haben.
2. Amazon kocht mit dem mobipocket-Format sein eigenes Süppchen. Warum?! Sogar Sony lässt Epub auf seinem Reader mittlerweile zu. Finde ich blöd, denn Epub soll als Format doch Standard werden!
3. Wenn Amazon den Verdacht hat, dass der Nutzer eines digital geschützten E-Books (DRM) genau diesen Schutz umgehen möchte, dann darf er den Zugriff verbieten.
4. Außerdem: Die E-Books mit DRM haben durch die Anbindung zu einem Amazon-Account keinen Wiederverkaufswert.
5. Amazon hat 2009 einige E-Books gelöscht, die von Nutzern gekauft wurden, weil der Verleger die Rechte zur digitalen Veröffentlichung nicht besaß.
Des Weiteren gibt es noch rechtliche Probleme mit der Vorlesefunktion (aus Buch wird Hörbuch) und Bedenken der Datenschützer wegen dem Browser.
Technisch gesehen konnte man die Amazon-Reader bislang schlecht aufrüsten, wenn es um die Speicherkapazität ging und für das Lesen von PDFs sind vor allem die kleinen Display ungeeignet, weil die Zoomstufen sehr grob sind. Hach ja. Ich weiß schon, warum ich noch keinen E-Reader habe. Dabei hätte ich so gerne einen :'(
Dabke für die ausführlichen Infos!
AntwortenLöschenVielen Dank für die lustige und hilfreiche Beschreibung!
AntwortenLöschenIch bin ganz kurz davor mir das Ding zu kaufen. Sobald die Händler- Homepage wieder funktioniert, werd ich´s dann wohl tun.