Donnerstag, 9. Juni 2011

Veranstaltung – Mainzer Minipressen-Messe 2011


Eigentlich hatte ich keine Zeit und hätte gedacht, dass ich es nicht zur Messe schaffe. Eigentlich. Doch dann kam mal wieder alles anders als gedacht, und ich pendelte zwischen Presseterminen, dem Mainzer Wissenschaftsmarkt – und der Mainzer Minipressen-Messe.


Es ist inzwischen die 21. Mainzer Minipressen-Messe. Sie lockte mehr als 360 Aussteller aus 15 Ländern und über 10.000 Besuchern an. Diese Zahlen verdeutlichen die Bedeutung der Messe, die als größte Ausstellungsmöglichkeit und Handelsplatz für Kleinverleger gilt. Sie findet alle zwei Jahre statt und beginnt immer am Feiertag Christi Himmelfahrt. Vor zwei Jahren war ich – warum und wie weiß ich eigentlich nicht mehr – eher durch Zufall über die Messe gestolpert. Dieses Jahr führten mich zwei Fachvorträge und die spontane Zusage meiner Verlegerin absichtlich an das Rheinufer.


Am Freitag klingelte mein Wecker um sechs Uhr und ich machte mich gemeinsam mit Wortschatz auf nach Mainz ins Rathaus. Auf dem Plan standen zwei Fachseminare, die im Rahmen der Messe organisiert worden waren. »Urheberrecht im Internet und bei eBooks« war am viel zu frühen Brückentagsmorgen das perfekte Einstiegsthema für jemanden mit viel zu wenig Kaffee im Blut. Eigentlich erhoffte ich mir eine spannende Diskussion zur aktuellen Rechtslage, vor allem wegen der fortschreitenden Digitalisierung. Aktuelle Modelle, Konzepte, Vorschläge? Fehlanzeige! Stattdessen fand ich mich vor einem nervös auf und ab laufenden Anwalt wieder, der Fragen von selbsternannten Autoren zum Thema BoD beantwortete. Nach zwei Stunden flüchtete ich zu meinem ersten Kaffee.


Ein wenig motivierter schlurften Wortschatz und ich in das Haifa-Zimmer und waren gespannt auf das Seminar »Ebookerstellung für Kleinverlage«. Das klang für mich nach einem Thema mit klaren Fakten und jeder Menge Praxis und als Mitarbeiterin eines Kleinverlags vielleicht auch als Basisinformation für eigene Projekte. Leider täuschte ich mich erneut. Der Titel der Veranstaltung hatte plötzlich eine ganz andere Formulierung und schon der Satz »Vom E-Book zum Verlag« hat mich im ersten Augenblick leider zurecht irritiert.
Ein Schriftsteller berichtete (wenigstens auf amüsante Weise), wie er bei den klassischen Verlagen mit seinem Manuskript gescheitert ist und den Selbstversuch gewagt hat: Statt Unmengen Geld an einen Druckkostenzuschussverlag zu verschleudern, erstellte und verlegte er sein eigenes E-Book, bis ein Verlag bereit war, sein Werk als Taschenbuch zu drucken.
Die aufgezählten Möglichkeiten waren mir aber leider schon bekannt, ebenso mögliche Formate, die Konvertierungssoftware, aktuelle E-Reader und E-Book-Distributoren. Und wieder fand ich mich in einem Raum mit gescheiterten Autoren wieder, die ihre Redebeiträge mit »Liebe Kollegen!« begannen und ständig »E-Reader« mit »E-Books« gleichsetzten (»Ich hab auch ein E-Book - und zwar den Kindle.«).
Vielleicht bin ich an dieser Stelle etwas böse und gemein, aber ich wühle mich oft genug durch unverlangt eingesandte Manuskripte, die in Verlagen immer noch sehr geduldig angeschaut und beurteilt werden und wage zu behaupten, dass die Wahrscheinlichkeit, das ein Manuskript gut ist, mit jeder Absage zweifelhafter ist. Und die Zahl an Bestsellerautoren wie Joanne K. Rowling, Jasper Fforde und Erich Maria Remarque, die ihre Manuskripte erst erfolglos und dann äußerst erfolgreich vermittelt haben, ist verschwindend gering – und rational begründbar. Somit lautet das Fazit des zweiten Seminars: Ich hätte lieber ausgeschlafen. Oder wäre mit Wortschatz und unseren Kameras durch die Mainzer Altstadt getigert. Schade.


Am Samstag und Sonntag verbrachte ich meine Stunden vor allem auf dem Mainzer Wissenschaftsmarkt. Ich hatte meinem äußerst liebenswürdigen Typografie-Professor AE versprochen, beim Marktblatt mitzuarbeiten, einer Zeitung, die von den Buchwissenschaftlern der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz mehrmals am Tag herausgegeben wird. Meine liebe Kommilitonin SLW leistete eine unglaubliche redaktionelle Schwerstarbeit und verfasste im überhitzten Zelt (wir waren neben den Geologen mit ihrem 110° Grad heißen Modell eines Geysirs) heldenhaft den Großteil der Artikel. Ich unterstütze sie mit weiterem Geschreibsel und langen Fotostrecken, die in zwei Extrablättern verarbeitet wurden. Mein Laptop qualmte, meine Kamera schwitzte und ich schwitzte Cola. Meine Tage waren beherrscht vom Relativitäts-ICE, einem begehbaren Gehirn und unbemannten Flugobjekten. Wunderbar!


Am Sonntag verschlug es mich am Rheinufer zum Zelt der Minipressen-Messe. Die Aussteller hatten ihren vierten und letzten Tag vor sich und hatten an einigen Stellen heimlich Teile der Zeltplane abgehängt, um zumindest für ein bisschen Luft zu sorgen. Heiß. Das Resultat eines Zelts, das tagelang in der Sonne gestanden hatte und sehr gut frequentiert gewesen ist. Nur die Gewitter hatten kurzfristig für eine Abkühlung gesorgt.


Auf drei Gängen verteilt schlängelten sich die Stände der Verleger mit ihren Büchern und Non-Books. Das besondere an dieser Messe ist, dass man Anderes, Neues, Wildes, Verrücktes, Interessantes, Obskures und Wissenschaftliches entdecken kann. Die ganze Bandbreite von Kleinverlagen wird dem Besucher um die Ohren gehauen, mal gelungen, mal befremdlich, aber immer spannend und interessant. Obwohl ich nur am Freitag (kurz und suchend) und am Sonntag (einem Papierflieger hinterherrennend und abbauend) auf der Minipressen-Messe gewesen bin, habe ich leider nur Zeit für ein paar Schnappschüsse, einen sehr guten Kaffee und einer oberflächlichen Sichtung gehabt.


Als Buchwissenschaftlerin fand ich natürlich die Druckpressen spannend, die am Ende des zweiten Zelts standen. Und Herrn J. (vier Jahre alt) konnte ich in einer anderen Ecke erklären, wie Papierschöpfen funktioniert (»Das kenn ich schon!«). Hängen geblieben bin ich schließlich bei zwei Buchstützen in Form von Eulen, die ich mir eintüten ließ.


Die Atmosphäre ist urgemütlich – trotz Zelt – und zwischen all den Büchern kam man sich schnell vor, als würde man durch ein urgemütliches Wohnzimmer schlendern und mit den Fingern Bücher mit Charakter erkunden. Und überhaupt: Lesende Menschen! Das ist etwas, was ich beispielsweise mit dem Trubel der Frankfurter Messe nicht verbinden kann. Und so passt das Zitat, das auf der Website der Minipressen-Messe erwähnt wird, ganz wunderbar zu seinem Charakter und meinem Empfinden:


»Für die durch Internet und neue Medien geschundenen Buchmenschen ist die Mainzer Minipressen-Messe auch wie eine Heil- und Pflegeanstalt: Sie heilt das pessimistische Denken vom Untergang der Buchkultur und sie pflegt, nicht zuletzt durch die Vergabe des V. O. Stomps-Preises (der Landeshauptstadt Mainz), die Liebe zu den besonders schönen Büchern.« Das sagte Riewert Quedens Tode, ein Buchantiquar und Verleger aus Berlin, in seiner Lobrede auf Hendrik Liersch (Corvinus Presse, Berlin), der 2009 den 16. V.O. Stomps-Preises der Stadt Mainz erhielt.


Und übernächstes Jahr wieder? Ich denke schon, nur mit weniger Zeit für Seminare und mehr Zeit zum Stöbern.

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