Am Donnerstag während der Buchmesse war ich, da ein Vormittagstermin ausfiel, zunächst in Frankfurt unterwegs, um einem vergessenen Päckchen Werbematerialien hinterher zu jagen. Im Blick hatte ich jedoch immer die Uhr, denn immer am Donnerstag wird ab 13 Uhr bekannt gegeben, wer den Literaturnobelpreis bekommt. Ich stieg gerade in die U-Bahn zur Frankfurt Buchmesse, als über twitter die Meldung kam. Wieder mal kein Thomas Pynchon, stattdessen der Chinese Mo Yan. Nie gehört.
Da ich unbedingt wissen wollte, welcher deutsche Verlag gerade im Nobelpreistrauma dahinschwelgt (oder überrollt und überrascht wird), waren meine nächsten Bewegungen klar: Ich suchte nach kaufbaren Büchern des Chinesen und wurde eher dürftig fündig, denn es gab drei Verlage: Der Unionsverlag, der Horlemann Verlag und auch der Insel Verlag hatten Bücher des Nobelpreisträgers publiziert. Meine Enttäuschung war zunächst ein wenig groß: Ich hatte gehofft, mich von dem großen Nobelpreisstrom treiben zu lassen und aus dem Hintergrund einige freudige Verleger eines Unternehmens bei ihrem Treiben beobachten zu können. Am liebsten natürlich über einen mir bekannten Preisträger.
Im Nachhinein erwies sich die Vergabe aber als großes Glück, denn so konnte ich beobachten, wie ein sehr großer, ein mittlerer und ein sehr kleiner Verlag sich das Glück teilten. Der Unionsverlag hatte einen Schrein aufgebaut, beim Horlemann Verlag zeichnete die Mitarbeiterin selbst ein Nobelpreis-Schild und bei Insel tauchten auch plötzlich dicke Schwarten auf, die von den Mitarbeitern nicht aus der Hand gegeben und wie hippe Accessoires umher getragen wurden. Horlemann und der Unionsverlag lagen sogar im selben Gang und es war witzig zu beobachten, wie die Kameramenschen und Reporter heranstürmten, um vor dem winzigen Horlemann-Stand Bilder zu ergattern.
Die Vergabe des Nobelpreises selbst war mit allerlei Lob für das schriftstellerische Talent von Mo Yan verbunden, allerdings auch mit viel politischer Kritik. Verständlich wird diese allein am Künstlernamen Mo Yan, der eigentlich Guan Moye heißt: Mo Yan bedeutet Sprich nicht! und weist auf die Kindheit und die Erziehung des Schriftstellers. Seine Eltern haben ihm beigebracht, in gefährlichen Zeiten den Mund zu halten, um Ärger zu vermeiden. Als Europäer, gerade mit einer Vergangenheit, in der Widerstand gegen Diktaturen essentiell war, ist dies kein gutes Zeichen. Regimekritiker führten dies immer wieder an, darunter Ai Weiwei. Ich finde es schwierig, mit einer Meinung dazu zu bilden, denn ich kenne mich nicht genug mit der chinesischen Geschichte aus, noch mit den Werken des Autors und ob sie sich wirklich unkritisch mit dem aktuellen Regime in China auseinandersetzen. Das wäre ein interessantes Leseprojekt für das kommende Jahr, wenn die Magisterarbeit und die Prüfungen Geschichte sind.
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