Montag, 4. Juni 2012

Rezension – Mike Lancaster: »0.4 – Eine perfekte neue Welt«

Ich liebe Bücher, die zeigen, wie sich eine Gesellschaft in naher Zukunft positiv entwickeln könnte. Vor allem aber liebe ich das Gegenteil: Dystopien zeigen eine Anti-Utopie auf. Sie stellen dar, wie sich alles zum Negativen hin entwickelt. Deshalb griff ich mir Mike Lancasters Debütroman »0.4 – Eine perfekte neue Welt«, um herauszufinden, wie der Autor seine Sicht der Zukunft dargestellt hat.

Inhalt
In einer weit entfernten Zukunft werden normale Hörspielkassetten gefunden, auf denen die Geschichte von Kyle Straker aufgezeichnet ist. Er berichtet aus einer uns vertrauten Welt und Zeit und schildert, wie sich die Welt innerhalb weniger Augenblicke komplett verändert hat. Nachdem er und drei Bekannte während einer Talentshow in einem englischen Dorf hypnotisiert werden, wachen sie in einer völlig veränderten Welt auf. Sie sind zu Außenseitern geworden und müssen sich mit vielen Fragen auseinandersetzen: Können sie in dieser neuen Welt leben? Was ist real?

Meinung (Ohne Spoiler)
»0.4 – Eine perfekte neue Welt« zeigt eine sehr einfache neue Welt auf: Sie wird nur am Rande beschrieben und angerissen. Die Handlung ist sehr einfach, wenig mysteriös und hat keine Nebenhandlungen. Zielgerichtet steuert der Leser auf die Lösung des Rätsels zu, das aber auch nicht ganz erklärt wird. Die Hintergründe bleiben unklar und verlieren sich in Mutmaßungen.
Alles in allem präsentiert Mike Lancaster eine sehr oberflächliche Geschichte. Die Figuren sind platte Stereotypen, die sich nur oberflächlich mit der neuen Situation auseinandersetzen. Gerade für Jugendliche, die sich diesem spannenden Thema stellen wollen, ist eine Identifikation wichtig, hier aber leider kaum möglich. Die Erwähnung von Facebook, Twitter oder Apple-Produkten reicht für eine Identifikation leider nicht aus.
Lediglich die Anmerkungen des Herausgebers zu der gehörten Geschichte sind witzig, erscheinen aber stellenweise auch unausgearbeitet zu sein: Wieso wird jene menschliche Eigenart wissenschaftlich penibel erklärt, andere hingegen jedoch nicht?

Meinung (mit Spoiler)
Gerade die Anmerkungen spiegeln wieder, wie die neue Gesellschaft denkt und funktionieren könnte. Allerdings sind die Anmerkungen dafür zu verstreut und wahllos gesetzt. Und wenn es um die Erschaffung der perfekten neuen Welt geht, in der keine Verbrechen mehr möglich sind – warum Identifizieren sich die Herausgeber zum Schluss so mit Kyles Geschichte? Woher kommt in dieser klinisch-neuen Welt plötzlich diese Solidarität her?

Fazit
Gute Idee, leider nur sehr oberflächlich umgesetzt. Die Unterschiede der verschiedenen Gesellschaften werden nicht gut vermittelt, die Charaktere sind oberflächlich und setzen sich nicht intensiv mit ihrer neuen Welt auseinander. Auch bleiben alle Hintergründe im Dunkeln – und eigentlich mag ich das Argument nicht, dass man die Lücken mit der eigenen Fantasie füllen soll. Das ist für mich lediglich die Rechtfertigung mittelmäßiger Schriftsteller für die Lösung ihrer eigenen Probleme, eine Erklärung zu finden.



Mike Lancaster
»0.4 – Eine perfekte neue Welt«
Oetinger, 272 Seiten, 14,95 Euro
ISBN: 978-3789141201
Erschienen im September 2011

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen