Montag, 2. Juli 2012

Veranstaltung – AKEP-Jahrestagung und Berliner Buchtage 2012


Alle eilten sie letzte Woche nach Berlin. So wie im Frühjahr die große Wanderung nach Leipzig und im Herbst nach Frankfurt einsetzt, so zieht es inzwischen viele Buchbranchenmitglieder zur AKEP-Jahrestagung (Arbeitskreis Elektronisches Publizieren) und anschließend zu den Berliner Buchtagen. Wegen protoTYPE, dem Innovationsprojekt des Forum Zukunft vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, klingelte am Mittwoch um kurz vor fünf Uhr morgens mein Wecker. Obwohl ich an vielen tollen Programmpunkten nicht teilnehmen konnte, gebe ich hier einige meiner Eindrücke ausführlich wieder.


Die komplette Tagung fand im Berliner Congress Center (bcc) in Mitte statt. Ich residierte zwei Nächte ein bisschen die Straße weiter runter im Motel One in der Leipziger Straße. Zuerst war ich begeistert: Das tolle Design, der Ausblick aus dem achten Stock in Richtung Fernsehturm und meinem geliebten Roten Rathaus. Doch irgendwie nervte mich der Aufenthalt im Motel One irgendwann nur! (Achtung! Ab hier Hotelschelte und Offtopic! Ich bekam meine Eingangstür kaum auf, die Badezimmertür fiel ständig zu, ich musste mein Wlan selbst bezahlen, weil ich das Frühstück nicht mitbuchte (obwohl auf meiner Rechnung OHNE Frühstück das Wlan inklusiv war), beim Einstecken der Karte ging nicht nur die komplette Beleuchtung an, sondern auch der Fernseher mit den grusligen Fischen und ich musste das Gerät jedes Mal mehrmals ausschalten, bevor es wirklich aus blieb. Das Schlimmste jedoch war die Handtuch-Aktion des Hotels: Ich hängte brav meine Handtücher an die Haken und warf sie nicht in die Dusche. Das signalisierte, dass ich sie wiederverwenden wollte und das Hotel rühmte sich für sein Umweltengagement. Die Handtücher wechselten sie trotzdem und hinterließen mir drei Neue mit fetten, schwarzen Haaren darauf. Schön, wenn Marketing-Ideen auf die Realität knallen.)


Den Vormittag verbrachte ich leider im Zug und ärgerte mich darüber, einen tollen Vortrag und eine Diskussion verpasst zu haben: Sascha Lobo nahm sich die Zukunft des Buchstabenverkaufs vor und möchte mit einem eigenen Verlag alles besser machen. Außerdem diskutierten Autoren, Verleger, Blogger, Leser und Piraten zur Internet-Piraterie. Für die offene Diskussion ohne moralischen Zeigefinger gab es im Nachhinein viel Lob. Ich schneite nach meinem Check-In während des gemeinsamen Mittagessens im bbc ein. Den restlichen Nachmittag widmete ich meinem protoTYPE-Projekt, das mein Team dem Fachpublikum vorstellte. Es war spannend zu sehen, dass eine Idee Anklang findet und viele Firmen und zukünftige Nutznießer großes Interesse zeigten. Während unserer Vorstellung liefen parallel Room-Sessions zu verschiedenen Themen ab: Selfpublishing als Konkurrenz für Verlage, Transmedia-Storytelling, DRM und Urheberrechtsverfolgung, nationaler und internationaler E-Book-Vertrieb, das E-Book-Upgrade von HTML 5 bis EPUB 3.0, die Vorstellung der E-Book-Studie 2012, die Filesharing-Welt für Verlage und das Wasserzeichen als weiches DRM-Modell. Ich hätte in fast jeden Vortrag gerne reingehört und hoffe, bald Zeit zu finden, die vielen hochgeladenen Folien der Vorträge nachzuarbeiten. Vielleicht lassen sich manche der Redner vielleicht nächstes Jahr auf das Buchcamp in Frankfurt ein?


Am späten Nachmittag fanden die Kommissionssitzungen der AKEP-Tagung statt. Ich verzichtete und wagte mich mit RK hinaus zum Alex – Abenteuer Schuhe einkaufen. RK hatte nur Ballerinas dabei und es regnete in Berlin fast ohne Unterbrechungen. Den AKEP-Empfang im Theodor Tucher am Brandenburger Tor sparten wir uns beide: Selbst vergünstigt war der Eintritt uns als Studentinnen noch viel zu viel. Stattdessen verkrümelten wir uns zu einem Thailänder (Thai Inside) und teilten uns ein Vier-Gänge-Menü, das einfach unglaublich schmeckte. Ich esse gerne sehr, sehr langsam und genieße meine Mahlzeit in vollen Zügen: Insgesamt quasselten und dinierten wir mehr als drei Stunden dort, bevor für uns die Nacht einholte. 


Der Donnerstag war für mich ein Tag voller Entdeckungen. Ich erkundete zunächst die Strecke Motel One – Edeka – Spree – Rotes Rathaus – bcc für mich, ein guter Fußweg von einer viertel Stunde. Irgendwie verquatschte ich mich am Morgen mit RK, KR und dem wichtigen Verleger WAB und versäumte die Eröffnungsrede von Prof. Dr. Gottfried Honnefelder, dem Vorsteher des Börsenvereins, zu den Buchtagen 2012 (nicht schade), den Vortrag von Michael Krüger, dem Geschäftsführer des Carl Hanser Verlages (schade!) und sogar die Urheberrechtsdebatte mit Sibylle Lewitscharoff, Imre Török, Helge Malchow und Matthias Spielkamp (Argh! Es lagen falsche Flyer rum). Nach der Mittagspause gab es leider wieder zwei große Themenblöcke mit Vorträgen, die parallel angeboten wurden: Einmal vom Börsenverein und einmal vom Nachwuchsparlament organisiert. Ich entschied mich für die Round Table Discussions der Nachwüchsler und fand mich stiefmütterlich im Keller wieder: An neun Tischen wurde jeweils 25 Minuten zu einem Fachthema debattiert. Wie beim Speeddating wechselten die Teilnehmer die Tische nach Wahl, wenn die Zeit abgelaufen war. Zuerst schnappte ich mir einen Platz beim Thema »Was ist Social Media im Verlag heute und was wird es in Zukunft sein müssen?«. Der Redner TZ der Agentur vm-people war richtig toll und inspirierend, die Gruppe eher nicht (»Welche Strategie verfolgt Ihr Verlag auf facebook?« – »Ähm, keine?«). Vom zweiten Tisch erhoffte ich mir spannende Theorien (»Sind E-Books nur elektronische Nebenprodukte des Buchs oder begründen sie längst ein eigenes Medium?«), allerdings begann und endete die Diskussion mit der bahnbrechenden Erkenntnis, dass man das Buch anfassen kann. Und das E-Book nicht. Ich hoffe, das war die letzte Diskussion über die unglaubliche Materialität des Buches, die ich mir anhören musste. Sonst explodieren mir die Ohren. Wirklich.
Ich flüchtete von den Round Tables und beschloss, mich in einen der fünf vom Börsenverein organisierten Vorträge hineinzuschleichen. Ich entschied mich für »Buchmarketing: Möglichkeiten des Erfolgs«, einer Präsentation des Hauptgeschäftsführers des Börsenvereins, Alexander Skipis. Spannendes Thema, kompetente Person – das dachte ich, als ich den Raum betrat. Es hätte mir einen Hinweis geben müssen, dass viele Zuhörer frühzeitig den Saal verließen. Nach zwei Minuten merkte ich, dass ich nicht mit aktuellen Theorien, spannenden Statistiken und innovativen Vorzeigebeispielen (z.B. aus den USA) verwöhnt werde. Ich fand mich in einer schlecht vorbereiteten Werbeveranstaltung wieder! Ich war entsetzt über den Tenor und auch über die Rückmeldungen der Zuhörer nach der Präsentation: Der Börsenverein wird drei Jahre lang eine Kampagne für das Buch machen. Für jeweils eine Millionen. Mehr konnte Skipis nicht sagen, da Informationen erst am nächsten Tag bekannt werden durften. Wie hat der Hauptgeschäftsführer mit diesem nichtssagenden Inhalt fast eineinhalb Stunden füllen können? Da half auch seine Entschuldigung zum Schluss nicht. Im Geiste überschlug ich in den letzten Minuten seines Vortrags die Kosten, die die Teilnehmer für die Buchtage ausgegeben haben und versuchte den Anteil auszurechnen, den diese Präsentation wohl bekommen haben mag.


Nach der Kaffeepause (übrigens: das Essen im bcc war großartig!) gab es Fachgruppenversammlungen. Ich schloss mich spontan einem der Exkursionen an, die das Nachwuchsparlament organisiert hat. Es ging zu wichtigen Verlagen und Buchhandlungen, für mich ging es zu ocelot. Ein Interview mit dieser tollen neuen Buchhandlung folgt hier im Blog noch. Am späten Nachmittag pilgerte ich ins Hotel und machte mich bereit für das Mitgliederfest im Umspannwerk in Kreuzberg. Da das Wetter hielt, pilgerte ich die drei Kilometer zu Fuß hin (Smartphone mit Fußgänger-Navigation sei dank!), fand mich im grünen Berlin wieder, dann beim Kottbusser Tor, dann bei einem Punk-Konzert, das gegenüber des Umspannwerks aus dem Asphalt gewachsen war. Das Mitgliederfest war gigantisch, ebenso diedas LocationEssenLeuteMusikPublicViewing. Um drei Uhr nachts war ich im Hotel, der Abend war für mich als Cola-Trinkerin sehr amüsant geworden.


Der Freitag, der letzte Tag für mich, begann viel zu früh um neun Uhr morgens mit einem Workshop mit TZ, ebenfalls organisiert vom Nachwuchsparlament. Alleine für diesen Vormittag hat sich die Fahrt nach Berlin gelohnt, der Workshop zum Thema Buchmarketing verfrachtete mich in ungeahnte Dimensionen, die für mich kreativinspirierendbahnbrechend waren und so einige Dämme in meinem Kopf geöffnet hat. Nach einigen Fallbeispielen folgten das Entwickeln eines eigenen Buchmarketing-Konzepts zu einem aktuellen Auftrag. Ich wusste, dass die Agentur uns zum Schluss eine komplett andere Lösungsmöglichkeit präsentieren würde und so war es auch. Aus dem Raum gespült, fand ich mich plötzlich in der Sitzung des Nachwuchsparlaments wieder. Als immer mehr Stimmen laut worden, die faire Arbeitsbedingungen, die Anerkennung der Leistung des Nachwuchses und eine stärkere Vernetzung mit den Arbeitgebern forderten, schnappte sogar ich mir das Mikrofon und stellte unser dazu passendes Projekt vor: BuchKarriere – Dein Platz in der Buchbranche. Nach dem Mittagessen und vielen Gesprächen, setzte ich mich noch in die Hauptversammlung des Börsenvereins, die zu dem Zeitpunkt schon vier Stunden lief. Die Hauptversammlung entpuppte sich für mich als schnöde Jahreshauptversammlung, die ich als Journalistin im Lokalzeitungsbereich jedes Jahr Dutzende Male durchlaufen muss. Meine eiserne Regel dazu: Je größer der Verein, desto länger und nerviger sind solche Sitzungen. Und die Wahrscheinlichkeit für übergenaue, naseweise Korinthenkacker steigt exponentiell. Ich hörte mir die Rede des Nachwuchssprechers TS an, der die Forderungen des Nachwuchses sehr eloquent und brav vortrug. Danach räumte ich den schönen Saal mit den runden Lichtern auf der Kuppel. Bevor der Zug nach Hause rollte, um mit mir gemeinsam das Deutschland-Spiel gegen die Griechen zu verpassen, schleckte ich am Alex lieber ein Eis, schlenderte zu Fuß mit EB zum Hauptbahnhof und kaufte mir dort der Tradition wegen eine Packung Krabben. Das war es für dieses Jahr. Nächstes Jahr hoffentlich mit mehr AKEP und weniger Buchtage für mich.


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