Montag, 30. Juli 2012

Rezension – Cat Patrick: »Die 5 Leben der Daisy West«

Selten hat mich ein Buchtrailer im Nachhinein so sehr befremdet wie der zu dem Jugendbuch von Cat Patrick. Der Film zu »Die 5 Leben der Daisy West« verspricht einen lustigen Roman mit einem ernsten Thema: Leben und Tod. Zum Glück war ich vorbereitet, denn Daisy West ist alles andere als eine spaßige, leichte Sommerlektüre. Sie ist wesentlich mehr und ein spannendes Debüt der Autorin!

Inhalt
Die Hauptfigur Daisy West nimmt an einem geheimen Projekt teil, das ein Medikament an ihr testet. Jedes Mal, wenn Daisy stirbt, wird sie mit Revive wieder zurück ins Leben geholt. Allerdings muss sie jedes Mal ein komplett neues Leben anfangen, ihre Identität und ihren Wohnort wechseln. Mittlerweile ist sie 15 Jahre alt, als sie nach einem tödlichen Bienenstich in Omaha landet, gemeinsam mit Mason und Cassie, ihren Adoptiveltern und Agenten des Revive-Programms. Dieses Mal will Daisy es anders machen, möchte keine Einzelgängerin mehr sein und freundet sich mit Audrey an, verliebt sich in ihren Bruder Matt und genießt das neue Leben als Daisy West in vollen Zügen … bis sie von Schatten eingeholt wird.

Meinung (Ohne Spoiler)
Die Autorin Cat Patrick wirft interessante Fragen auf. Sie springt nicht auf den Zug der Unsterblichkeit auf, sondern kreiert ein Szenario, in dem Daisy aus dem Tod zurückgeholt werden kann – solange ihr Körper unversehrt bleibt (ertrinken, ersticken und allergischer Schock funktioniert, Krankheiten, Genickbruch und Verbrennungen nicht). Wie lebt ein Mädchen ihr Leben, wenn sie jedes Mal zurückgeholt werden könnte? Sie hat mehrere Leben und muss nach jedem Tod neu anfangen, ist wurzellos und hat keine richtige Familie. Weitere Fragen stellen sich im Lauf der Geschichte: Wie reagiert man auf den endgültigen Tod? Was ist echte Trauer, was echtes Leben? Wie ist das Revive-Programm zu bewerten? Ist es moralisch vertretbar?
Der Roman hat mir gefallen, weil Daisy eine klare Entwicklung durchmacht (auch wenn sie vorhersehbar und nicht immer ganz nachvollziehbar ist). Insgesamt hätte der Roman aber wesentlich mehr Potential gehabt, stellenweise gingen mir die Entwicklungen viel zu schnell – vor allem die Freundschaft zu Audrey, die viel zu leicht ging und zu schnell unglaubwürdig-amerikanisch sehr intensiv war. Hier hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht.
Ganz furchtbar fand ich teilweise die Dialoge, und da vor allem der übermäßige Einsatz von »Danke« – »Bitte«-Konstruktionen, die immer nach demselben Schema abliefen.

»Willkommen an unserer Schule« – »Danke«, antworte ich. (Seite 34)
»Coole Schuhe.« – »Danke«, erwidere ich. (Seite 36)
»Ich mag deine Frisur.« – »Danke«, antwortet sie. (Seite 36)
»Tolles Auto«, sage ich. »Danke«, antwortet sie. (Seite 40)
»Cooles Sweatshirt.« – »Danke«, erwiderte er und lächelte kurz. (Seite 72)

Das ist nur eine kleine Auswahl. Bei der Gelegenheit ist mir gerade auch der Zeitfehler aufgefallen. Leider ist das Buch insgesamt eher mittelmäßig lektoriert und hat viele Tippfehler und Dreher drin.

Meinung (mit Spoiler)
Sehr überraschend kam für mich die Entwicklung mit Audrey. Krebs im Endstadium – da hat sich Daisy genau die richtige erste, beste Freundin ausgesucht. In der Geschichte selbst spiegeln sich beide Charaktere ganz gut: Fünf Leben, ein halbes. Zurückgekehrt von den Toten, dem Tode geweiht. Aus diesem Gegensatz hätte man mehr herausholen können. So hat sie ihre erste beste Freundin innerhalb eines Monats kennen gelernt und verloren. Kann so schnell so eine enge Verbindung aufgebaut werden?
Auch Matts Entwicklung fand ich nicht immer rund gestaltet. Klar, Daisy war sehr schnell verliebt, aber Matts Empfindungen blieben unerwähnt. Viele Spaziergänge und Treffen blieben ohne ernsthafte Gespräche (auch wenn er drei Stunden fährt, um sie von einer Party abzuholen?!). Erst nach dem Tod von Audrey zeigt sich die Stärke des Romans: Die Verarbeitung von Trauer – und wie unterschiedlich die Charaktere mit ihr umgehen.

Fazit
Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen: Thematisch ist es äußerst reizvoll und spannend gestaltet. Leben und Sterben, und die Verarbeitung von Trauer – das sind die großen Themen des Romans und seine Stärken. Schwach hingegen sind der Aufbau der Dialoge und die Ausarbeitung der Figuren. Bei »Die 5 Leben der Daisy West« hätte ich mir eindeutig mehr Längen gewünscht, mehr Tiefe, mehr Entwicklung. Dann wäre es ein richtig tolles Buch geworden.





Cat Patrick
»Die 5 Leben der Daisy West«
Boje, 301 Seiten, 14,99 Euro
ISBN: 978-3414820617
Erschienen am 20. Juli 2012

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen