Montag, 31. Oktober 2011

Buchmesse 2011 – Impressionen von den Publikumstagen


Diese Frankfurter Buchmesse war komisch. Im Nachhinein bilanzierten die Organisatoren mehr Besucher, aber auch weniger Aussteller. Letzteres ist mir gleich aufgefallen. Ich habe sechs Tage lang in der Halle 3.0 gearbeitet und war in einer der hinteren Reihe gewesen. Uns gegenüber war eine Druckerei aus Korea, die so gar nicht in diese Halle zu passen schien. Zumindest war ich letztes Jahr in der Halle der ausländischen Verlage, in denen auch Druckereien vertreten waren. Mein Verdacht, dass der Platz uns gegenüber vielleicht mit Nachzüglern aufgefüllt worden war, bestätigte sich, als einige Messearbeiter am Mittwoch den frisch gelegten, grauen Teppich aufrissen, durch einen grauen ersetzten, wieder aufrissen und durch einen orangefarbenen und einen roten ersetzten. Plötzlich rollten die Mitarbeiter riesige donutförmige Sitzkissen an und verschwanden genauso schnell, wie sie aufgetaucht waren. Je länger ich auf meinen Beinen stand (täglich über zehn Stunden), desto verführerischer wurde das Sitzgebäck. Diese visuelle Grausamkeit potenzierte die Messe während den Publikumstagen, als plötzlich mehrere Masseure auftauchten und zehnminütige Massagen gegen eine Spenden anboten. Allein vom Zusehen schmerzte mein Nacken und verkrampfte sich mein Kreuz.


Wen vermisste ich eigentlich als Aussteller? Vor allem viele kleine Independent-Verlage haben sich die Frankfurter Buchmesse dieses Jahr aufgespart. Die Leipziger Messe sei lukrativer, da sie eine Publikums- und keine Lizenzmesse ist. Die Stände seien zu teuer, die Stellplätze unattraktiv. Und immer wieder das Leipzig-Argument. Aber auch die Stiftung Lesen fehlte beispielsweise in diesem Jahr ganz, und mehrere Besucher zogen enttäuscht fort, als ich zunächst im Ausstellerkatalog wühlte, nichts fand und schließlich die Reihen selber absuchte. Die Stiftung war immer ein Aussteller in nächster Nachbarschaft gewesen.


Weniger Aussteller, mehr Besucher? Während den Fachbesuchertagen war mein Eindruck gemischt. Vor allem Vormittags war der Andrang jeden Tag überwältigend und überraschend hoch, um dann nachmittags komplett zusammenzubrechen. Abends waren die Hallen so gut wie leer. Und die Publikumstage? Dieses Jahr war es die Hölle! Seit sechs Jahren bin ich inzwischen auf der Frankfurter Buchmesse unterwegs, und noch nie kamen mir die Hallen so überfüllt, die Gänge so überbevölkert und die Rolltreppen so überfrachtet vor. Besonders der Samstag war abnormal, als hätten sich die Besucher wie Bakterien alle paar Minuten heimlich geteilt. Ich wollte von der Halle 3.0 hoch zu 3.1 und dann schnell zu 4.1, um dann zum Schluss in 4.0 Wasser einkaufen zu gehen. Ich habe mehr als eineinhalb Stunden gebraucht.


Vor den Rolltreppen ballten sich die Menschenmassen. Direkt am Eingang von Halle 3.1 ordneten Sicherheitsleute die Besucher, teilweise warteten 150-200 dicht gedrängt darauf, ins Erdgeschoss runterfahren zu dürfen. Als ich die Halle 3.1 betrat, stand vor der Glastür ebenfalls Sicherheitspersonal und ließ die Menschen nicht mehr auf diesem Weg aus der Halle. Als alternative Route empfahlen sie den Weg über die Treppe entlang der weitläufigen Terrasse vor 3.1. Ich merkte mir den Weg und lief schließlich über den Platz in Richtung der Hallen 4.0 und 4.1. Die Rolltreppen bildeten auch hier das Nadelöhr, Sicherheitspersonal ersetzte hier noch die Bänder zwischen den Etagen. Stellenweise war das Gedränge so unerträglich, dass ich mich geschubst und gedrückt an die Loveparade erinnert fühlte. Sowohl in 4.1, als auch in 4.0 war kaum ein Durchkommen möglich. Entnervt gab ich auf.


Der Sonntag war ähnlich voll und mit der Zeit entwickelte ich meine eigenen Abkürzungen und Tricks, um möglichst schnell und unbeschadet von einem Ort zum anderen zu gelangen. Ich lief diagonal durch die Hallen, mied Kreuzungen und Lesungen, nutzte die Randgänge und liebte die geheimen Seitenstraßen, die nur wenige nutzten.


Vielleicht war es doch gar nicht so schlimm, dass das Lesezelt in diesem Jahr einen neuen Standort hatte und quasi ausgelagert war. Der Platz um den Audi-Pavillon war besonders zur Mittagszeit überfüllt, und eine zusätzliche, kilometerlange Schlange hätte dieses Mal sämtliche Kapazitäten gesprengt. Was blieb mir als Eindruck von der Frankfurter Buchmesse 2011 zurück? Das Gefühl, eben dieses Gefühl nicht wirklich zu besitzen. Ich hatte keine einzige Veranstaltung besuchen können, nahm an keiner Diskussion teil, hörte keiner einzigen Lesung zu. Stattdessen arbeitete und fror ich, da die Lüftung auf Hochtouren lief und mir beständig trotz Beschwerden kalten Wind in den Nacken pustete. Eine eisige, übervölkerte Buchmesse war es gewesen. Ein schönes Gastland hat uns besucht. Und ich muss unbedingt herausfinden, wo man diese Vorhänge herbekommen kann.

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