Mittwoch, 31. Oktober 2012

Bibliophile Momentaufnahmen – Kalenderwoche 44


Zum Samhain-Fest gibt es hier nun ein kleines Gender-Posting. Als ich im September mit Wortschatz Ferien machte, verschlug es uns unter anderem durch ein sehr günstiges Angebote in ein sehr abgelegenes Hotel. Wir waren ungefähr vierzig Jahre jünger als die zweitjüngsten Gäste in diesem urigen Schmuckstück und als wir unser Zimmer betraten, sind wir fast umgefallen: Seidentapeten, prunkvolle Spiegel mit goldenen, verschnörkelten Rahmen, schwere, dunkle Echtholzmöbel (die schönen, die nicht nach Großeltern, sondern nach Wohlstand aussehen), und neben dem modernen Badezimmer stand neben dem Bett, mitten im Raum, eine freistehende Badewanne auf goldenen Löwenfüßchen in einer Nische, die mit Marmor verkleidet war. Kurzum fühlten wir, zwei junge Studenten, uns plötzlich wie Könige eines vergessenen Reichs.

Ein Blick und ich erhaschte neben meiner Bettseite zwei Regale mit Büchern. Ich entschied mich spontan für die linke Bettseite und war erfreut, neben mir nach Farben geordnete Klassiker zu finden, darunter eine tolle Ausgabe von Thomas Mann, allerdings auch einige Reader's Digest-Bücher. Neugierig geworden schritt ich (in so einem Zimmer schreitet man wie eine Dame!) zum Bücherregal auf der anderen Bettseite und erblickte hier eine bunte Ansammlung von Danielle Steel, Utta Danella, Pferdebüchern, Konsalik und Konsorten.

Oha! Habe ich da gerade eine Gender-Falle entdeckt und ein Buchregal für Männer und ein Buchregal für Frauen entdeckt? Natürlich in Anbetracht der Tatsache, welche ältere Zielgruppe so ein Hotel besucht? Ich fand die Auswahl spannend und auch die Platzierung: Die Frauenbücher, vermutlich, befanden sich auf derselben Bettseite, vor der die Badewanne thronte. Ebenso das Telefon zum Hotel und ein eiserner Ständer für Anzüge (damit die Frau sie für den Mann abends aufhängen kann?). Auf meiner Seite mit den Klassikern befand sich hingegen nur der Wecker. 

Als Freund von Statistiken würde ich nun doch gerne Zahlen sehen, wie die Bettverteilung vor uns ausgesehen hat. Haben die Bücher letztendlich die Platzwahl und so die Rollenverteilung während des Urlaubs bestimmt? Wurden sie überhaupt beachtet? Sah es in allen Zimmer ähnlich aus? Wie war dort die Verteilung der Badewanne und des Anzughalters? War die Anordnung bei uns Zufall? Oder bildete ich mir dort in meinem urigen Königreich mit Hirschgeweihen und Truthähnen im Frühstückssalon einfach zu viel ein?


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