Weißes, nach hinten gekämmtes Haar, an den Spitzen leicht gelockt, wie es der Mode des 19. Jahrhunderts entsprach, eine markante Nase und streng blickende Augen: So sehen die Bilder aus, die von Joachim Heinrich Campe überliefert sind. Der deutsche Pädagoge, Schriftsteller und Verleger lebte von 1746 bis 1818 und trug dazu bei, das Erziehungswesen zu reformieren.
Campe setzte sich wesentlich für die aufklärerische Kinder- und Jugendbuchliteratur ein. Seit 1786 war er selbst Kinder- und Jugendbuchautor und lehrte an den Philanthropin in Dessau. Ein Jahr später gründete er die Braunschweigische Schulbuchhandlung, aus der sich später der Verlag Vieweg und Westermann entwickelte.
In seinem Verlag schuf er eine eigene Kinderbibliothek, darunter beispielsweise das Buch »Lieder für Kinder« von Christian Felix Weiße (1726-1804). Was war das Besondere an dem Buch? Bisher waren Lieder wenig auf die Bedürfnisse der Kinder angepasst. Es war nicht ungewöhnlich, zwanzig Strophen mit schwierigen Wörtern auswendig lernen zu müssen. Die Lieder von Weiße hingegen passten sich der Sprache der Kinder an. Oft entwickelte er neue Texte zu bereits bekannten Melodien. »Komm lieber May, und mache / Die Bäume wieder grün, / und laß mir an dem Bache / Die kleinen Veilchen wieder blühn« – lautete ein Kinderlied aus dem Buch.
Eine wesentliche Erneuerung führte Campe mit der Altersabgrenzung ein: Die Bücher waren von sechs bis zwölf, von zwölf bis sechszehn und ab sechszehn Jahren eingeteilt. Campe, der mit Wilhelm von Humboldt befreundet war, schrieb das Buch »Kleine Seelenlehre für Kinder« (1780). Dort stellte er fremde Kulturen und Reiseliteratur vor. Die Texte waren auf die Zielgruppe abgestimmt.
Seine Bücher waren nicht nur nach Alter gestaffelt, sondern sogar lektoriert, was damals nicht selbstverständlich war. 1779 verlegte er die Abenteuer- und Entwicklungsgeschichte »Robinson der Jüngere«, für die selbst Rousseau eine Schwäche hatte. Joachim Heinrich Campe veränderte den Ursprungstext deutlich: Das englische Original hat einen Ich-Erzähler, im Deutschen nicht mehr. Außerdem kommentierte der Verleger sie »in Campes Manier«.
Joachim Heinrich Campe ging sogar soweit, Kinderzeitschriften und Serien zu publizieren. »Der Kinderfreund« war ein Wochenblatt von Christian Felix Weiße, das eine Spitzenauflage von 74.000 Zeitschriften pro Woche erreichte – und das zu der Zeit! Die Serie hatte stereotype Charaktere und lief nach einem Prinzip, das denen in modernen Soap Opera gleicht. Aber für die Kinder damals hatten sie eine wichtige Funktion: Sie stellten die Lebenswirklichkeit in einer konkreten Situation da, sodass die jungen Leser die möglichen Reaktionen nachvollziehen konnten. Ähnlich funktionierte »Kinderspiele und Gespräche«, die von 1776-1778 herausgegeben wurden und Gesprächssituationen nachstellten.
Einen weiteren bedeutenden Verleger der Aufklärung werde ich dir in der nächsten Folge vorstellen.
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