Im vergangenen Jahr war es soweit: Ich hielt eine Karte für meine allererste Preisverleihung im Rahmen der Frankfurter Buchmesse in den Händen. Bis heute habe ich sie nicht weggeworfen, und die Eintrittskarte zum Jugendliteraturpreis 2009 schlummert still und leise in einer Schublade meines Sekretärs. Es war ein besonderes, schönes Erlebnis. So viele Menschen waren da und kümmerten sich um die Kinder und Jugendlichen, die die ersten Leser einer immer wieder neuen Generation bilden. Und da waren auch die Kinder selbst, die ein tolles Programm auf der Bühne inszenierten, um ihren eigenen Favorit zu küren. Nebenbei bemerkt war auch das Büffet zum Schluss nicht zu verachten – aber das wirklich nur am Rande, eine unwichtige Randnotiz.
In diesem Jahr lief ich in Halle 3.0 nun etwas wehmütig am Stand des Arbeitskreises für Jugendliteratur vorbei, da ich dieses Jahr keine Karten bekommen habe. Fröhlich baumelten dort die kleinen Heftchen mit den Nominierungen von der Decke. Leider wenig Neues, wenig wirklich Überraschendes. Da überraschte zum Schluss dann doch die Wahl der Jury etwas mehr. So mehr oder weniger.
Preisträger in der Kategorie Bilderbuch
Stian Hole: »Garmans Sommer« (Carl Hanser Verlag). Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. ISBN: 978-3-446-23314-0
Aus der Begründung der Jury
Stian Hole verknüpft die Themen Zukunftsangst und Vergänglichkeit auf mehreren Ebenen. Die eigenwillig-eigenständigen Montagen aus Fotos, Röntgenaufnahmen, Zeichnung und Gemaltem geben eine skurrile, immer wieder zum genauen Hinschauen einladende Kulisse ab. Es ist ein sensibles Buch, das Kinder nicht nur zum Philosophieren animiert, sondern ihnen auch Mut macht, sich ihrer Ängste bewusst zu sein.
Preisträger in der Kategorie Kinderbuch
Jean Regnaud (Text) und Émile Bravo (Illustration): »Meine Mutter ist in Amerika und hat Buffalo Bill getroffen« (Carlsen Verlag). Aus dem Französischen von Kai Wilksen, Lettering von Michael Hau. ISBN: 978-3-551-77790-4
Aus der Begründung der Jury
Das an Deutungsspielräumen reiche Buch überzeugt in seiner Mischung von Text und Bild besonders auch da, wo Illustrationen in versiert gewählten Passagen den erzählten Text ersetzen. Auf allen Ebenen ist das Kinderbuch eine reichhaltige Graphic Novel, die ihren Lesern sicher einige Zeit begleiten wird, um ihn immer wieder etwas Neues entdecken zu lassen.
Preisträger in der Kategorie Jugendbuch
Nadia Budde: »Such dir was aus, aber beeil dich! Kindsein in zehn Kapiteln« (Fischer Schatzinsel). ISBN: 978-3-596-80832-8
Aus der Begründung der Jury
Dieser Graphic Novel zeigt Momentaufnehmen aus der eigenen Kindheit der Autorin in der DDR der 1960er und 1970er Jahre. Der Frage nach dem Wesen der Kindheit geht die Autorin auf allen Sinneskanälen nach. So versteht sie es, den typischen Kindheitsblick auf die Geheimnisse der Erwachsenenwelt für den Leser anschaulich und sinnlich in Text und Bild zu bannen. Das Jugendbuch ist eine gelungene Anleitung für Jugendliche, sich an die eigene Kindheit so zu erinnern, dass man sich liebevoll von ihr zu verabschieden und erwachsen zu werden vermag.
Preisträger in der Kategorie Sachbuch
Christian Nürnberger: »Mutige Menschen. Widerstand im Dritten Reich« (Gabriel Verlag). ISBN: 978-3-522-30166-4
Aus der Begründung der Jury
Es gelingt dem Autor durch einen gekonnt schlichten, fast schon mündlichen Erzählduktus, eine Spannung aufzubauen, die vom ersten bis zum letzten Satz zu fesseln vermag. Die herausragende literarische Qualität zeigt sich in dem individuellen Zuschnitt der einzelnen Porträts. Das lässt die Lektüre dieses Sachbuchs nicht zuletzt auch zu einem ästhetischen Genuss werden. Sein eindringliches Nachwort führt uns die Allgegenwart der Vergangenheit vor Augen, die jede Generation neu für sich auslegen muss. Für die Jury verbindet das Buch auf überzeugende Weise fundierte historische Informationen mit politischem Engagement auf sprachlich hohem Niveau.
Preis der Jugendjury
Suzanne Collins: »Die Tribute von Panem. Tödliche Spiele« (Verlag Friedrich Oetinger). Aus dem Englischen von Sylke Hachmeister und Peter Klöss. ISBN: 978-3-7891-3218-6
Aus der Begründung der Jury
Einfach, aber packend erzählt die Autorin in ihrem Roman eine dramatische Liebesgeschichte. Brandaktuelle Fragen entflammen im Kopf des Lesers: Wie abhängig bin ich in der Mediengesellschaft von meinem Bild in der Öffentlichkeit? Wie kann ich ich selbst bleiben, ohne mich im Surrealen zu verlieren? Wie erschreckend ähnlich ist die fiktive Gesellschaft Panems schon der unseren? Am Ende weiß keiner, welche Auswirkungen die Medien auf unsere Zukunft haben werden.
Der Sonderpreis für das Lebenswerk ging an die Autorin und Übersetzerin Mirjam Pressler.
Aus der Begründung der Jury
Bereits für ihr Debüt Bitterschokolade wurde Mirjam Pressler 1980 mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Sie profilierte sich damit als wesentliche Stimme einer antiautoritären Jugendliteratur. Es folgten Romane, die heute zu den Klassikern zu zählen sind und deren beschädigte Kindheiten ihre Aktualität und Brisanz behalten haben. Mit Beginn der 90er Jahre erweiterte die Autorin ihren Blick auf jüdische Kindheiten während des Holocaust in Europa. Insbesondere im Leben und Werk der Anne Frank fand sie eine generationsübergreifende Symbolfigur. Parallel dazu nutzte sie literarische Vorlagen und Stoffe der Weltliteratur, um sich mit literarischen Mitteln für eine kulturelle Völkerverständigung einzusetzen.
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