Freitag, 15. Oktober 2010

Buchmesse 2010 – Sprengt die Digitalisierung die Buchbranche?

Julia von dem Knesebeck (Bilandia), Bernd Sommerfeld (Buchhändler bei Lehmanns mit Schwerpunkt Informatik), Ines Wallraff (Random House Audio) und Leander Wattig (selbstständiger Berater und Blogger) – alle vier Redner auf dem Podium versprachen, allein schon wegen ihrer Qualifikation, eine spannende, offene und vor allem konkrete Diskussion zur Digitalisierungsfrage. Ich wurde nicht enttäuscht und erlebte einen Rundumschlag durch sämtliche Baustellen der Buchbranche.


Als Einleitung bediente man sich an der unnötigsten Standard-Frage schlechthin: Ist die Branche vorbereitet auf die Digitalisierung? »Leider wissen wir nicht, was auf uns zukommen wird. Man sagt der Buchbranche nach, dass sie sehr den alten Traditionen nachhängt. Deshalb habe ich den Wunsch, dass noch mehr experimentiert wird und Medientrends ausprobiert werden«, antwortete Leander Wattig. Der erfolgreiche Blogger hat jüngst das Netzwerk Ich mach was mit Büchern aufgebaut und betonte, dass die Schwarzweißmalerei der Branche schadet. Ein grundlegendes Problem sieht er darin, dass die Buchbranche sich zu sehr auf den eigenen, traditionellen Markt fixiert. »Heute braucht man ganz neue Fähigkeiten, um erfolgreich zu sein: der selbstverständliche Umgang mit neuer Software, Programmiersprachen etc. Wenn sich an der Einstellung nichts ändert, ernten Branchenfremde mit diesen Kenntnissen den Erfolg.«


Bernd Sommerfeld durfte die Frage beantworten, ob der Offline-Buchhandel verlieren wird. »Ja, er wird, allerdings ist der Buchhandel sehr bemüht, diesen Weg nicht einzuschlagen. Sie haben begriffen, dass nun nicht mehr das Buch, sondern die Dienstleistung im Vordergrund steht.« Als Beispiel führte Sommerfeld die Fachbuchhandlung Lehmanns an, die Kongresse organisiert und komplette Arztausstattungen anbietet.


Hörbücher sind ein junges Marktsegment der Branche. Ines Wallraff beantwortete die Frage, inwiefern der Audio-Bereich anders auf die Veränderungen der Branche reagiert. »Jeder Titel steht zunächst für sich selbst. Wir werten aus, welche Zielgruppe sich für das Produkt interessieren könnte und planen dann, ob es beispielsweise ein Hörspiel oder ein Hörbuch wird.« Sie ist der Überzeugung, dass das Buch sich nicht abschaffen wird. »Die Verlage fangen früh an, sich mit den Änderungen zu beschäftigen«, lobte sie und hat beobachtet, wie sich verschiedene Verlagsabteilungen gemeinsam mit der Digitalisierung auseinandersetzen und neue Strategien planen.


Julia von dem Knesebeck stellte heraus, dass die Kundenbeziehungen in den Mittelpunkt rücken. Die klassischen Geschäftsmodelle existieren weiter trotz neuer Web 2.0-Anwendungen. »Der Inhalt und die Kunden werden wichtig. Ein Account bei Facebook oder Twitter erweitern lediglich die Möglichkeiten. Es sind Tools, die jeder verwenden kann.« Das gesamte Paket ist entscheidend: »Der Informationskanal soll die Kunden dort abholen, wo sie sich befinden.«


Einig waren sich alle Diskussionsteilnehmer darin, dass das Sprengen im Veranstaltungstitel nichts negatives sein muss und vielleicht sogar etwas Notwendiges ist. »Eigentlich ist es eine Chance und vergrößert die Möglichkeiten für ein Geschäft. Egal ob Trailer oder E-Books: Die neuen Zusatzangebote sind dazu da, neue Kunden zu erreichen und alte zu behalten«, betonte Julia von dem Knesebeck.

Spannend wurde es bei der Frage, ob die Buchpreisbindung die Entwicklung der E-Books in Deutschland behindert. Leander Wattig stimmte dahingehend zu, dass das Verfügbarkeitskriterium bei E-Books erfüllt ist, sodass eine Buchpreisbindung für ihn fraglich ist. Bernd Sommerfeld sah eine andere Gefahr: »Die Entwicklung wird gehemmt, allerdings verliert das Digitale ohne die Preisbindung vielleicht seinen Wert.« Leander Wattig gab zu bedenken, dass auch die schlechten Lesegeräte ein Grund für die Zurückhaltung auf dem Markt sein könnten. Bei diesem Argument konnte ich mir ein heftiges Nicken nicht verkneifen. Seit eineinhalb Jahre halte ich den E-Reader-Markt im Auge, doch ein Gerät, das meinen Ansprüchen genügt, gibt es derzeit nicht. Darum warte ich wie viele andere Vielleser erst einmal ab. Die Frage nach dem Digital Rights Management lässt mich derzeit ebenfalls zurückschrecken. Leander Wattig schloss daher mit der Beobachtung: »Alle E-Reader sind derzeit noch nicht da, wo der Durchschnittsleser hin will.« Wahre Worte.

Ärger mit DRM kennt Bernd Sommerfeld und forderte einen so einfachen Zugang zu Büchern wie jetzt zur Musik. »Piraterie ist nur eine Reaktion auf einen legalen Markt, auf dem es keine guten Angebote gibt«, stimmte Leander Wattig ihm zu.

1 Kommentar:

  1. Danke für die interessante Zusammenfassung! Leider erst jetzt gesehen ...

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